Die Kugel und das Opium
damit ich nur ja nicht das Haus verlasse. Aber ich hatte das Gefühl, als habe sich in meinen Körper eine Katze verkrallt, ich dachte an nichts anderes als an Abhauen. Hehe, aber ich habe erst abends um sechs ein Schlupfloch gefunden, und weg war ich. Meine Mutter ist mir nach und hat lang hinter mir hergeschrien, ich habe mich taub gestellt. Ich war noch nicht lange mit dem Fahrrad unterwegs, als ich mich jäh umsah und meinen Vater entdeckte, der mir wie ein Aufpasser heimlich folgte. Wenn ich das geahnt hätte! Ich war auf einmal sauer und herrschte ihn an: Was läufst du mir ständig hinterher? Ich bin doch kein kleines Kind mehr! Als der Vater meinen Ton hörte, schämte er sich, bog ab und drehte mit seinem Fahrrad um. Ich fuhr weiter zur Straßenkreuzung am Chongwen-Tor, aus der Ferne schon sah ich den Feuerschein am Himmel. Als ich ankam, ha! Brennende Militärautos! Die ersten beiden brannten schon, das Feuer versengte einen, also machte ich einen Bogen bis hinter den dritten Wagen. Die Menge, die die Wagen angehalten hatte, war besonders groß, die ganze Straße war ein Meer von Köpfen, die Stimmung gereizt, es wurde gestikuliert, es wurde geschimpft und gehöhnt. Und mir, mittendrin, ist auf einmal die Galle übergelaufen, ich habe am ganzen Körper gezittert, ich suchte etwas, an dem ich meine Wut auslassen konnte. Da hörte ich neben mir eine Stimme: Zündet diesen Hundesöhnen die Reifen an!
Wie auch immer das zuging, jedenfalls zwängte ich mich auf den Sozius des Wagens und fand zwei Poliertücher. Ich weiß nicht, wer das gemacht hat, aber der Tankdeckel war bereits weg, es ging wie geschmiert. Ich steckte die Dinger in den Tank, tauchte sie ein, zog sie heraus, zündete sie an den Flammen auf dem Boden an und warf sie, schschsch, auf die Reifen …
LIAO YIWU:
Ziemlich spannend, was?
DONG SHENGKUN:
So sehr, dass meine Arme und Beine seltsame, unkontrollierte Bewegungen machten. Ein Tuch war auf den Boden gefallen. Das andere klebte auf dem Reifen, brannte eine Weile, zerfiel zu Asche und ging aus. Kurz, während ich da wartete, ist der Wagen nicht in Flammen aufgegangen. Ich denke immer noch, dass nichts passiert ist.
LIAO YIWU:
Wieso das denn?
DONG SHENGKUN:
Ich hatte doch nur zwei Polierlappen verbrannt. Als ich hinterher nach Hause kam, habe ich mir aus dieser versuchten Brandstiftung nicht groß was gemacht. Ich war schon wieder ein paar Tage wie immer zur Arbeit gegangen, als ich ihnen ins Netz ging.
LIAO YIWU:
Am wievielten war das?
DONG SHENGKUN:
Am 10 . Juni?
LIAO YIWU:
Ziemlich schnell.
DONG SHENGKUN:
An dem Tag damals kamen die von der Sicherheitsabteilung der Einheit in die Werkshalle gelaufen und sagten mir, dass der neue Fabrikchef, ein Mann namens Liu, nach mir sucht. Also bin ich hin, aber als ich ins Büro kam, saßen auf dem Posten des Chefs zwei fremde kleine Typen. Nach einer kurzen Musterung stellten sie sich vor: Wir sind vom Amt für Öffentliche Sicherheit, Sie werden vermutlich wissen, warum wir Sie aufsuchen?! Wie auch immer das vor sich ging, ich nickte tatsächlich und sagte, ich habe damit gerechnet. Sie sagten, so, Sie haben damit gerechnet? Na, dann kommen Sie mal mit. Ich sagte, aus welchem Grund sollte ich das tun? Sie meinten, wir sind jung, verhalten Sie sich entsprechend, wir suchen einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können. Also bin ich mit ihnen zur Tür, was sollte ich machen, und draußen wartete ein alter Kleinbus.
Im Wagen wurde es ziemlich eng, rechts und links von mir die beiden Polizisten in Zivil, mit straffen Muskeln, ich war sofort so eingezwängt, dass ich mich nicht rühren konnte. Dann fuhr der Wagen los, vorne der Beifahrer telefonierte laut und meldete, der Gesuchte namens Dong sei bereits im Wagen und so weiter. Ich dachte, eigentlich haben sie mich noch nicht direkt festgenommen, die sondieren nur und wollen nachsehen, ob ich da bin. Ich stellte noch meine Vermutungen an, als der Wagen jäh an der Einfahrt einer Gasse ankam, quietschend bremste und ein Polizeiwagen mit der Nummer 212 an ihn heranfuhr. Die Hecktür des Wagens ging krachend auf, sechs, sieben Leute des Sondereinsatzkommandos in Stahlhelmen sprangen heraus, stellten sich in V-Formation auf und richteten die dunklen Mündungen ihrer Gewehre auf mich. Sofort war ich zu Tode erschrocken, deshalb habe ich ihre Abzeichen nicht genau erkannt, und woher sie eigentlich kamen. Da sagte der leitende Offizier: Dong Shengkun, Sie sind verhaftet. Anschließend
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