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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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vergessen haben. Aber dann muss ich den schönen Abend abbrechen und nach Hause, waschen und schlafen.

Dong Shengkun,
zum Tode verurteilt
    Im Augenblick ist es 20.50  Uhr, es ist der 27 . Dezember 2006 , ich spreche in einem Dongbei-Restaurant nicht weit vom Vorderen Tor, dem Qianmen des Tiananmen, mit zwei Männern, die in Folge des 4 . Juni zum Tode verurteilt wurden. Zhang Maosheng hat gerade aufgehört, ich wechsle das Band und wende mich dem 46  Jahre alten Dong Shengkun zu.
    Wu Wenjian ruft von der Seite: Jetzt lass sie mal aus dem Schwitzkasten! Du lässt einen ja nicht zu Atem kommen.
    Ich gebe sofort zurück: Gut, also eine Verschnaufpause. Essen wir noch etwas!
    Wu Wenjian seufzt: Wir Rowdys gehen in der Regel unsere eigenen Wege, auch wenn wir in der gleichen Stadt leben, wir bekommen uns kaum zu Gesicht. Heute, das ist das Verdienst von unserem guten alten Liao hier, heute sind wir zusammen, also heben wir auch einen!
    Daraufhin stehen alle auf und stoßen mit dem Erguotou an. Wu Wenjian gießt nach, prostet Zhang und Dong zu und ruft: Auf euch, ihr habt viel durchgemacht! Der kleine Wu leert sein Glas als Erster. Zhang Maosheng folgt ihm, doch Dong Shengkun sagt zögernd: Ich muss noch Rad fahren, meine alte Mutter wartet zu Hause.
    Wu Wenjian nölt: Heute ist ein guter Tag, warum nimmst du nicht den Bus? Dann brauchst du auch keine Angst zu haben, wenn du besoffen bist.
    Dong Shengkun sagt: Normalerweise rühre ich keinen Alkohol an und Zigaretten auch nicht. Ich kann es mir auch nicht leisten. Denk doch nur, eine Stange Dubao, die kostet draußen etwas über zwanzig, dafür bekommt man drin gut das Vierfache, über hundert, und wenn man keine Beziehungen hat, kann es sein, dass man an gar keine kommt. Wenn man einmal das Rauchen angefangen hat, wird es schwierig. Ich will das nicht. Drin durften wir keinen Alkohol trinken.
    Wu Wenjian sagt: Verdammt, sag doch, wie es ist, es geht nicht um Rauchen oder nicht, sondern darum, dass es Geld kostet. Wir sind arm, Brüder, wir haben Pech gehabt, das Leben ist hart, wir sind nicht attraktiv. Nicht wie diese Elite im In- und Ausland, diese gepuderten Laffen, die leben wie die Maden im Speck, und dann fällt ihnen auch noch ein Heiligenschein auf den Scheitel.
    Als ich sehe, wie die Schwermut der drei durch den Alkohol schlimmer wird, lenke ich sofort ab: Der gute Dong trinkt nicht so viel, soll er doch Tee nehmen. Esst noch ein bisschen was und passt ein bisschen auf eure Gesundheit auf. Ob nun oben oder unten, wir alle kommen vom 4 . Juni her, wenn wir eine Zukunft haben wollen, müssen wir lange leben.
    Ein Wort, dem alle zustimmen. Daraufhin setzt sich Dong wieder. Wu Wenjian zieht zunächst den Geldbeutel für seine beiden Gefährten aus der Tasche und flüstert: Das ist mir jetzt unangenehm. Ich habe nicht so viel Geld bei mir. Aber ich will nicht hintanstehen. Anschließend nutzen wir die Zeit und greifen kräftig zu. Am Ende legt Dong Shengkun die Stäbchen beiseite: So weit, so gut. Wir sollten uns dieses Essens würdig erweisen.

    DONG SHENGKUN:
    Zhang Maosheng hat gerade von »heute ist Winter, morgen ist Frühling« gesprochen, das kann ich gut nachfühlen! Ich bin wie er wegen Brandstiftung verurteilt worden, wie er zur Todesstrafe mit Bewährung. Ich habe zu den Sternen geschaut und zum Mond, es war nicht leicht, als wir wieder draußen waren. Die Gesellschaft draußen hat sich so gewaltig verändert, die Stadt hat sich so gewaltig verändert, vor allem die Leute haben sich so gewaltig verändert, darauf haben sie uns, die wir zu lange aus der Welt waren, nicht vorbereitet. Wir sind von gestern! Wir sind Abfall! Wir sind vergessen! Und es geschieht uns recht!
    LIAO YIWU:
    Das solltest du nicht sagen, Bruder. Trink noch etwas, trink!
    DONG SHENGKUN:
    Ach, das ist eine lange Geschichte. 1949 hat Mao Zedong auf dem Tiananmen verkündet: »Das chinesische Volk ist aufgestanden!«, das Ende vom Lied war, dass er alleine aufgestanden ist, und alle anderen lagen auf dem Bauch. Und 1989 hat der Tod von Hu Yaobang die Studentenbewegung ausgelöst, die Beijinger Bürger sind zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen, da ist das chinesische Volk wirklich aufgestanden, auch wenn es nur ein paar Tage aufrecht stehen blieb und dann wieder zusammengeprügelt wurde.
    Ich bin bis heute stolz auf die Beijinger von damals! Stellen Sie sich vor, die Hundstage in Beijing, draußen die sengende Sonne, eine Dame in fortgeschrittenem Alter ist jeden Tag, um die

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