Die Kultur der Reparatur (German Edition)
existent sei, einzig in der Firma, die diese Schwimmbadpumpen herstellt. Und natürlich sei die nicht darauf aus, mir das Gewinde als Einzelteil zu verkaufen.
„Diese Tricks kenne ich“, sagte der Ladenangestellte, nachdem er mir aufmerksam zugehört hatte. „Aber es gibt eine Chance.“
„Eine Chance?“ Ich wurde hellhörig.
„Ja, Sie können um das Problem herumkommen. Es gibt in München einen Eisenwarenhandel, einer, in dem nur die Profis einkaufen, wo man eine spezielle Kundennummer braucht. Aber davon würde ich mich an Ihrer Stelle nicht abschrecken lassen. Man will da nicht an Laien verkaufen, aber so ein ganz blutiger Anfänger sind Sie ja nun auch nicht. Nur Rabatt bekommen Sie dort nicht. Falls die das Gewinde haben, werden Sie es normal bezahlen müssen.“
Das hinderte mich natürlich nicht daran, den Eisenwarenhandel zu betreten. Einzig und allein interessierte mich dieses außergewöhnliche Gewinde.
„Und gehen Sie am besten am späten Nachmittag hin“, fügte der Mann noch als Tipp hinzu, „vormittags laufen da die Handwerker von den Baufirmen auf, da hat man als jemand, der keinen Blaumann trägt, bei den Verkäufern einen schwierigen Stand.“ Das kannte ich schon aus anderen Zusammenhängen. Vielleicht sollte ich mir mal einen blauen Arbeitskittel zulegen, dachte ich.
„Danke!“, rief ich dem Angestellten zu und war schon aus der Tür, nachdem ich noch die Adresse erfahren hatte.
Und wirklich: Ohne große Schwierigkeiten bekam ich dort mein Gewinde. Und auch die zwei benötigten Schellen, die zusammen 105 Euro kosteten; es war schon ein teures Material.
Jetzt hatte ich alle Teile beisammen und auch die neue Pumpen-Version bei der geschäftstüchtigen Firma erstanden. Mit einem Freund begann ich dann an einem schönen Samstagnachmittag mit demEinbau der Pumpe. Ohne den Freund, einen Elektromeister, da war ich mir sicher, hätte ich bestimmt nicht die richtigen Anschlüsse gefunden: Er ließ mich machen, holte mich aber immer wieder aus Sackgassen heraus.
Wenn man so will, habe ich mich mit meiner Vorstellung der Selbstreparatur antikapitalistisch verhalten. Na ja, vielleicht nicht gerade antikapitalistisch, aber auf jeden Fall antimarktwirtschaftlich. Ich ersetzte nur ein defektes Teil und nicht das gesamte Modell, was womöglich die Wirtschaft weiter angekurbelt hätte. Dann hätte ich jedoch auch materielle Ressourcen verschwendet, und was vielleicht noch viel wichtiger ist: Ich wäre um eine Erfahrung ärmer.
Beim Ersatz von Einzelteilen ist zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Bauteile in einem Gerät unterschiedlich häufig gebraucht werden und daher bei einer vernünftigen Konstruktion deren Lebensdauer auch darauf eingestellt wird. Die Nebelschlussleuchte eines Fahrzeugs etwa wird natürlich weniger benutzt als das Abblendlicht oder das Fernlicht, und die beiden auch noch unterschiedlich häufig. Daher liegt es sowohl im Interesse des Kunden als auch der Volkswirtschaft und der Umwelt, die Lebensdauer eines komplexen technischen Produktes nicht generell zu begrenzen, sondern möglichst genau das Einsatzprofil der unterschiedlichen Baugruppen zu berücksichtigen. Wenn schon etwas kaputtgeht am Ende einer langen Lebensdauer, könnte man sagen, dann möglichst viele Bauteile gleichzeitig, und nicht eines so früh, dass alle anderen noch funktionsfähigen beim Wegschmeißen eines Gerätes gleich mit weggeworfen werden: ein typisches Optimierungsproblem für einen technischen Konstrukteur.
Es bleibt also festzuhalten: Wenn eine Pumpe, die zwanzig Jahre gut funktioniert hat, vom Hersteller gegen eine andere austauscht wird, die nichts weiter machen soll als das, was schon das Vorgängermodell geleistet hat – und diese neue Pumpe dann nicht mehr kompatibel ist, dann ist dies ein Beispiel für marktwirtschaftliche Auswüchse.
Man muss nur an die vielen unterschiedlichen Stecker denken, mit denen Akkus von Handys aufgeladen werden (zum Beispiel ist der des iPhone 5 mit so ziemlich allem auf dem Markt inkompatibel), oder an die verschiedensten Datenverbindungskabelnormen wie SCSI, USB, Firewire, Thunderbolt und wie sie alle heißen. Wir sind heute daran gewöhnt, ständig irgendwelche Akkus aufzuladen, leider mit praktisch bei jedem Gerät verschiedenem Ladegerät. Obwohl schon längst eine EU-weite Einheitlichkeit bei den Ladegeräten zumindest gleicher Produktklassen eingeführt hätte werden sollen, merke ich nichts davon und besitze natürlich auch selbst zig
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