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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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Newton'schen Gesetz entsprechenden mechanischen Antworten aus. Aber die Wirkung erscheint natürlich.) Die Entwicklungunserer Hände zu komplexen Tast- und Greifwerkzeugen war eine wesentliche Voraussetzung für die Menschwerdung. Unsere verschiedenen Greifmöglichkeiten, wie der Kraft- oder Präzisionsgriff mit detailliert abgestimmten Bewegungsabläufen, erlauben uns ein Hand-eln, etwas hand-zu-haben und zu guter Letzt auch etwas zu reparieren.
    Wir Menschen sind keine Tastatur mit eingebauter elektronischer Sensorik. Halte ich meine Hände unter den Wasserhahn, weil das Wasser durch einen Sensor zum Laufen gebracht wird (oder der Handtrockner in der öffentlichen Toilette erst angeht, wenn man die Hände unter ihn hält), so ist das zwar keine dramatische, aber immerhin doch eine Entfremdung vom mechanischen Handeln, und auch eine Bevormundung. Den Schalter der Ampel nicht zu berühren ist zwar hygienischer, die evolutionär in mir verankerte Sehnsucht nach einem mechanischen Umgang mit den Dingen ist jedoch nicht zu unterdrücken. Zieht man aus einem Rollhandtuchspender eine bestimmte Länge Handtuch, hat man die Entscheidung getroffen, wie viel man benötigt, um seine Hände zu trocknen. Man hat aktiv an der Rolle gezogen. Bei dem Föhn, der meine nassen Hände mit Luft trocknet, bleibe ich passiv.
    Der Mensch ist in hohem Maße auf Haptik und Mechanik eingestellt, er will im wörtlichen Sinne die Dinge begreifen. Das kann man am besten bei Kindern beobachten. Die Prägung auf Mechanik ist in unseren Genen verankert, andere Primaten verwenden Werkzeuge, wenn sie mit ihren Händen nicht weiterkommen – Stöcke z. B., um Honig aus einem Bienenstock herauszuholen, sollten sie nicht vorher schon aufgrund eines Bienenangriffs die Flucht ergriffen haben.
    In der Menschheitsgeschichte hat es darüber hinaus die Mechanik erst möglich gemacht, einen Hebel oder eine Achse und damit das Rad zu erfinden. Es mag trivial klingen, aber die Fähigkeit zu einem mechanischen Vorgehen hat die Grundlagen für die Elektro- und die Quantenmechanik gelegt, die die mechanischen Verhaltensweisen von Atomen beschreiben. Nicht von ungefähr fängt jeder Physikunterricht mit der Mechanik an, die Mechanik ist auch die erste Vorlesung im Physikstudium.
    Neben der Entfremdung von Dingen und einer gewissen Bevormundung, unsere Hände nicht mehr einsetzen zu dürfen, gibt es noch einen dritten Aspekt, der bei einem Verzicht auf die Mechanik wirksam wird: Die unmittelbare Erfahrung geht verloren. Stelle ich selbst etwas her, erlebe ich, wie ich etwas falsch oder richtig angegangen bin. Das Erschaffen setzt mich in eine direkte Beziehung zum Produkt. Ich verstehe, wie es aufgebaut ist. Das gilt nicht nur für das Reparieren, sondern ebenfallsetwa für das Gärtnern, die Bearbeitung von Holz oder von Textilien etc. Man kann sich natürlich fragen, warum man ein Beet mit Rüben, Salat, Radieschen und Petersilie anlegen soll, wenn man diese Dinge doch überall kaufen kann, noch dazu so günstig. Um das umfassende Verständnis für Stoffkreisläufe zurückzugewinnen, lautet meine Antwort.
    Im Zeitalter von Nanoelektronik und digitalen Welten ist natürlich auch die Zeit reiner, einfacher Mechanik längst vorbei. Keineswegs gibt es eine Dringlichkeit, dass alle von uns das Brot wieder mit dem Messer und nicht mehr mit der Brotschneidemaschine in Scheiben schneiden. (Wobei ich es schon beklagenswert finde, dass immer weniger Menschen von einem Laib Brot noch eine gerade Scheibe abschneiden können.) Die Verdrängung kraftaufwendiger mechanischer Arbeit durch neue Erfindungen, die die menschliche Arbeit erleichtern, ist Teil der menschlichen Erfolgsgeschichte. Der selbst oder durch Rinder gezogene Pflug ist aus gutem Grund (leider noch nicht in allen Ländern der Welt) durch den Traktor ersetzt worden. Und ein elektrischer Starter, der auf Knopfdruck den Motor zum Drehen bringt, ist deutlich angenehmer als eine Kurbel, die man schweißtreibend betätigen muss – erst durch diese Erfindung wurde das Automobil zur Massenware. Ebenso kann die Menschheit heilfroh darüber sein, dass die Dampfmaschine und all die nachfolgenden, die mechanische Arbeit erleichternden Maschinen und Motoren erfunden wurden.
    Ohne technischen Fortschritt würden wir heute noch schwerste körperliche Arbeiten verrichten müssen, wäre unser Wohlstand viel geringer. Wo wären wir heute in der digitalen Welt der Internetkommunikation mit all ihren auch positiven Folgen der

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