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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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Wasserhahn tropft, oder den Elektriker, um eine Badezimmerlampe anzubringen. Wenn man es aber tut, sollte man versuchen, dabei zu sein, zuzusehen, etwas zu lernen – um Erfahrungen zu sammeln, was man selbst reparieren kann und was man besser dem Profi überlassen sollte.

Achtsamkeit und andere Soft Skills der Reparatur
    Die Kultur der Reparatur basiert auf Kenntnissen, auf Können, auf analytischem Denken, aber auch auf Lebensklugheit, auf Wertschätzung und, vor allem, Achtsamkeit. Wie ich mich gegenüber materiellen Dingen meiner Umgebung verhalte, sagt etwas über mich als Menschen. Lasse ich zum Beispiel eine Wohnung verkommen, in dem Wissen, dass sie nicht mir gehört und ich ja sowieso bald wieder ausziehe, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ich auch imHinblick auf den Klimawandel eine „Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung“ habe.
    Wer achtsam ist, wird zum Beispiel einen Wasserhahn nicht tropfen lassen, auch in einer gemieteten Wohnung. Und bevor er sich ganz zusetzt, schaut er lieber nach und entkalkt.
    Selbst bei einer teuren Waschmaschine wird der „Nach-mir-die-Sintflut“-Typ kaum auf die Idee kommen, das Gerät zu entkalken. Dabei hat das bei einer Waschmaschine gravierende Konsequenzen. Je mehr eine Waschmaschine und speziell die Heizstäbe verkalkt sind, umso höher ist der Bedarf an Energie, um auf die Temperatur zu kommen, die man für einen Waschgang eingestellt hat, ganz gleich ob 30, 60 oder 95 Grad. Und letztlich wird die Maschine durch eine mangelnde Entkalkung früher defekt sein.
    Ein besonders beeindruckendes Beispiel für die Wichtigkeit von Wartung stammt nicht aus dem Haushalt: Bei Flugzeugen werden automatisch Routinechecks und -reparaturen durchgeführt, ganz explizit, ganz sorgfältig, geht es hier doch um Leben und Tod. Würden Fluggesellschaften ihre Maschinen nicht nach festgelegten Richtlinien warten, wären viel mehr Unfälle zu verzeichnen. Der Grund für die Achtsamkeit ist die Prävention von Schaden. Das rechtzeitige Erneuern, Austauschen und Reparieren ist auch ökonomisch ein absolutes Muss – angesichts der potenziellen Schadenssummen, die ein einziges kleines und billiges defektes Teil auslösen kann. Unwillkürlich muss ich da an die Ursache des Absturzes des Challenger-Raumtransporters der NASA denken, der kurz nach dem Start im Jahr 1986 explodierte und sieben Astronauten in den Tod riss. Wer diese Bilder in der Fernsehübertragung gesehen hat, wird sie wohl nie wieder vergessen. Ursache der Tragödie war, wie später eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des amerikanischen Physikers Richard Feynman feststellte, ein Gummidichtungsring am Festbrennstoffbooster, im Grunde ein Teil von der Größe einer 1-Cent-Münze, das wohl durch die kalten Nachttemperaturen vor dem Start spröde und damit undicht geworden war. So hatte es ein Treibstoffverbrennungsgasleck verursacht, das dann zur verhängnisvollen Explosion führte.
    Sorgfältige Untersuchungs- und Reparaturpläne in regelmäßigen Wartungszyklen sind also ein kluges Prinzip, um Schlimmstes zu verhindern, um das Risiko eines Schadens so weit wie irgend möglich zu reduzieren. Im Automobilbereich ist dieses Prinzip jedem bekannt und wird seit Jahrzehnten im Rahmen der vorgeschriebenen Hauptuntersuchungen durch die technischen Überwachungsvereine durchgeführt. Was im Falle des TÜV mit Aufkommen der Dampfmaschinen mitsamt schlimmer Betriebsunfälle als Dampfkesselüberwachungsverein begonnen hat, ist heuteerfolgreich in der Prävention von Unfällen durch defekte Bremsen oder durchgerostete Trägerteile. Was im industriellen Maßstab über Wartungs- und Reparaturverträge zur Erhaltung von Maschinen geschieht, hat auch im privaten, häuslichen Umfeld Sinn: die achtsame Wartung und Reparatur vor dem Verschleiß.
    Mein Freund Ulrich Walter, Professor an der Technischen Universität München und ehemaliger Astronaut, ist die personifizierte Achtsamkeit. Er hat den Witz, die Gelassenheit, die Hingabe an eine Sache, neben all dem analytischen Denken und der gezielten Vorgehensweise, die bei Reparaturen nötig sind. Stellen Sie sich vor, in einer Raumkapsel tritt der Defekt eines Teils oder einer Apparatur auf: Da braucht es Unaufgeregtheit, Belastbarkeit und Reparaturkompetenz. Die Reparatur von kleinen Fehlern der vielen Experimentaufbauten etwa an Bord der internationalen Raumstation ist Teil der Ausbildung der Astronauten, die als Nutzlastspezialisten mit an Bord sind.
    Ulrich Walter hat in seinem Leben eine

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