Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Vernetzung über Ländergrenzen hinweg, hätte es nicht die grandiose Entwicklung des Computers von einer reinen Rechenmaschine zu Konrad Zuses Zeiten zu einem Multifunktionsgerät heutiger Prägung gegeben? Dennoch ist das Handwerk durch nichts zu ersetzen: weil es an der Basis steht und sich elementarer Lebensbedürfnisse annimmt.
Darüber hinaus bildet es eine unabdingbare Voraussetzung zur Weiterentwicklung und Anwendung von Naturerkenntnis. Dazu gehören nicht nur die physikalischen Grundprinzipien von Arbeit, Leistung, Energieumwandlung und -erhaltung, die ja bei jeder Maschine eine entscheidende Rolle spielen. (Selbst in der modernen Nanomedizin, bei der Untersuchung molekularer Maschinen, die in Form von Proteinen eine entscheidende Rolle beim Stofftransport in unseren Zellen spielen, könnte man von molekularem Handwerk sprechen, das ohne ein Verständnis der makroskopischen Verhältnisse nicht begreifbar ist.) Zum Handwerk gehört selbstverständlich auch die Auseinandersetzung mit Materialien, ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften. Das beginnt schon bei der Gewinnung von Materialien aus der Natur und hört nicht auf bei der modernen Materialwissenschaft, die mithilfe von theoretischem Verständnis und analytischen Methoden maßgeschneiderte Materialien aus dem Angebot der in der Natur vorkommenden und im Periodensystem der Elemente so schön geordneten Atomsorten herstellen kann. Wer das Goldschmiedehandwerk betreiben wollte, musste schon immer wissen, wie das Edelmetall aus dem Muttergestein zu schmelzen ist. Bergbau, Metallurgie waren und sind hier die elementaren Voraussetzungen. Heute werden diese Disziplinen ergänzt durch Recyclingverfahren, die Königsdisziplin der Kreislaufwirtschaft. Das Vorkommen und die Verarbeitung von Kupfer, Bronze, Eisen, aber auch Erdmetallen wie Aluminium, Magnesium, Titan und vielen anderen sind Kennzeichen für Abschnitte in der Menschheitsgeschichte geworden. Suchte man nach neuen Materialien, etwa nach weißem Gold, dem Porzellan, musste man zumindest eine Ahnung von verschiedenen Vorgängen und Prozessen unterschiedlichster Materialien haben. Dabei sind naturwissenschaftliche Erkenntnis und handwerkliche Herstellungsmethoden Hand in Hand gegangen, sodass das Handwerk zutreffend nicht nur als Vorbereiter der Industrialisierung, sondern auch als Auslöser von naturwissenschaftlichem Erkenntnisforschritt gelten kann. Es hat den Menschen Fragen stellen lassen wie: Wieso gibt es überhaupt Gold? Und: Warum haben Gold und Silber unterschiedliche Schmelzpunkte, also voneinander abweichende Eigenschaften? Wie mache ich eine Legierung aus den Materialien?
Das beste Beispiel für solche Erkenntnisfortschritte ist das Wirken Joseph von Fraunhofers, jenes bayerischen Handwerkers, der die Welt verändert hat und dessen Namen zu Recht die erfolgreichste deutsche Organisation zur anwendungsorientierten Forschung trägt. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war es technologisch nicht möglich, farbkorrigierte Objektive für große astronomische Fernrohre mit der erforderlichen Qualität herzustellen. Fraunhofer, ein Glasschleifer aus Straubing, begann ab 1807 am Mathematisch-Mechanischen Institut Joseph von Utzschneiders in Benediktbeuern, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Binnen weniger Jahre schaffte er es durch anwendungsorientierte Forschung, das Problem zu lösen. Er entwickelte eine Methode zur präzisen Vermessung des Brechungsvermögens verschiedener Glassorten. Durch die Kenntnis dieser Materialeigenschaften gelang ihm die gezielte Herstellung von hochwertigem Glas für Fernrohrlinsen mit größeren Durchmessern. Für seine Glasuntersuchungen verwendete er einen umgebauten Präzisionstheodoliten, wie er für die Landesvermessung eingesetzt wurde. Mit diesem Spektrometer fand er unter anderem die Absorptionslinien im Sonnenspektrum. Er revolutionierte sowohl die Glasherstellung als auch die technische Optik. Seine Forschungsergebnisse trugen viel zum besseren Verständnis der Eigenschaften des Lichtes bei. Diese Erkenntnisse wirken bis heute fort: In der modernen Astrophysik werden spektroskopische Methoden eingesetzt, um die Großstrukturen unseres Universums zu erforschen. Es ist dadurch möglich, mehr über den Aufbau und die Entwicklung des Universums zu erfahren. Joseph von Fraunhofer, der Handwerker aus Straubing, hat dafür den Grundstein gelegt.
Das handwerkliche Herstellen von Dingen ist ein wenig vergleichbar mit einem physikalischen
Weitere Kostenlose Bücher