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Die Kundschafter

Die Kundschafter

Titel: Die Kundschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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fühlen uns beschützt, wenn ihr mit uns reitet.«
    »Wer spricht von Reiten, du Narr!« schrie Lamir wütend. Es war die Aussicht, zu Fuß gehen zu müssen, die ihn zu diesem Ausbruch trieb. »Wir gehen mit euch. Langsam und unerkannt.«
    Bei seinen Worten zuckten die Geißler zusammen wie unter Peitschenhieben.
    Mythor schob das Schwert in den Gürtel und sagte zu Anid: »Wir werden uns Mäntel beschaffen und brechen zusammen mit euch auf. Einverstanden, Brüder der Pest?«
    »Wir tun, was du willst, Herr Mythor!« bekräftigte Anid. Von den Nahrungsmitteln waren nur noch wenige Reste zu sehen.
    Als die Kundschafter zur Mühle zurückgingen, konnten sie feststellen, dass die Panik unter den Tieren aufgehört hatte. Vielleicht war der Umstand, dass sie in alle Himmelsrichtungen geflohen waren, der Grund dafür. Die Pferde hinter den Bretterverschlägen jedenfalls hatten sich beruhigt.
    »Und zu unserer Freude kommt noch eine Nacht in der knarrenden, rumpelnden Mühlenarche«, sagte Gapolo.
    Mythor lachte kurz und schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »Vercin wird dir reichlich Bier einschenken. Bier macht müde.«
    »Immerhin ein besseres Nachtlager als in der Ruine des Eulenbergs«, sagte Lamir. »Ich werde unseren Marsch mit Liedern verschönern.«
    »Welch eine Aussicht!« stöhnte Buruna.
    »Alles geht vorüber. Auch dieser Marsch. Wir können nicht mehr weit von der Yarl-Linie entfernt sein«, sagte Mythor.
    Buruna legte ihren Arm um seine Hüften und zischte in sein Ohr: »Und wenn du Lorana noch ein einziges Mal so verliebt ansiehst wie in der Arche, kratze ich ihr und dir die Augen aus!«
    Mythor entgegnete mit einem letzten Anflug von guter Stimmung: »Was nützt ein blinder Liebhaber? Ich könnte deine Schönheit nur ertasten aber nicht mehr sehen, Geliebte!«
    Sie flüsterte: »Dann würdest du mir ganz gehören. Ich müsste dich führen. Du würdest gehen, wohin ich will.«
    »Deine Gutmütigkeit«, schloss Mythor, »wird nur noch von deiner Leidenschaft übertroffen.«
    Sie fanden den Weg in das kleine Zimmer der Mühlenarche allein. Die untergehende Sonne tauchte das Wasser des Flusses und die Hänge in geheimnisvolles Licht und tiefe Schatten. Noch einige Bissen, einige Becher Bier, und die Menschen legten sich schlafen. Lorana versuchte, für jeden von ihnen einen ruhigen und bequemen Platz zu finden. Die lauten, aber eintönigen Geräusche der Wasserräder und der endlos miteinander kämpfenden Gestalten des verblüffenden Mechanismus schläferten die Kundschafter bald ein.
    *
    Lamir sprang über einen verfaulenden Baumstamm, blieb stehen und betrachtete seine drei Freunde halb lachend, halb verzweifelt. »Ihr seht wirklich wie Geißler aus!« staunte er. »Wenigstens bei Nacht oder aus zwei Bogenschuss Entfernung.«
    Buruna lachte hell auf. Eine leidenschaftliche Nacht an der Seite Mythors und die Tatsache, dass Lorana im Langhaus zurückgeblieben war, hatten ihren launenhaften Unmut vertrieben. Aus ihrem Reitermantel hatte sie mit wenigen Griffen und Stichen ein Gewand gemacht, das den Mänteln und Kapuzen der Geißler täuschend ähnlich war.
    »Ein Tag im Schmutz, ein Regen und die Dunkelheit werden uns in echte Bußgänger verwandeln«, knurrte Gapolo. Er fand sich mit seiner Rolle nicht ab. Trotzdem sah er ein, dass sie weniger gefährdet sein würden.
    Die Pilger waren schon wach. Einige versuchten, sich mit Sand und Bachwasser zu säubern. Sie sahen noch hungriger und müder aus als gestern; ihre Gesichter waren vom Schlaf auf dem feuchten Laub geschwollen.
    »Los, Anid!« schrie Lamir. »Ich werde singen! Ein heiterer Pilgerzug wird die Caer zu Tode erschrecken!«
    Mythor, Buruna, Gapolo und Lamir hatten ein Seil zerschnitten, Knoten hineingeschlagen und die Tauenden beschmutzt. Auch die Köpfe waren unter großen Kapuzen verborgen. Etwas dunkle Erde im Gesicht machte sie den Bußgängern ähnlich. Lamir zog unter dem Mantel die Laute hervor, griff ein paar schrille Akkorde und sang:
    »Wir wandern durch totes Land...
    Die gelbe Pest zerfrisst uns... nicht zittert unsre blut'ge Hand... zu leiden und sterben ist unser Wunsch.«
    Zusammen mit den Akkorden erweckte der Text seines Stegreifliedes einen schauerlichen Eindruck. Die echten Bußgänger formierten sich hinter dem Rücken Anid Leveres, der bei der zweiten Zeile stehenblieb und sich ängstlich umsah.
    Gapolo knirschte mit den Zähnen und ächzte: »Dein Krächzen wird uns tatsächlich krank machen, Lamir von der

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