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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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weg von der familiären Intimität; andere Personen und Instanzen reden nun auch mit in der Entwicklung und Erziehung eines Kindes. Noch ausgeprägter findet das bei Beginn der Schule statt. Nun geht es im Normalfall Stufe für Stufe hinauf, gelegentlich mit Rückschlägen und Neubeginnen. Beenden wird erst mit Ende der Schulpflicht zum Thema. Es gibt Zäsuren, Schulwechsel, kleine Beendigungen. Ein größeres Beenden steht bei Abschluss der Schule bzw. des Studiums an. Der Übertritt ins Berufsleben ist ein großer Schritt in die Versorgungsunabhängigkeit und in das Erwachsenenleben.
    Dasselbe gilt für das Verlassen des Elternhauses. Es ist oft ein größerer Schritt als jener in die Berufstätigkeit. In derHerkunftsfamilie sind die ganz frühen prägenden Ereignisse geschehen, und bei den nahen Menschen ist man am verletzlichsten. Ein Auszug kann frühzeitig erfolgen, gewissermaßen fluchtartig, weil es ein junger Mensch nicht mehr zu Hause aushält. Er kann mit dem Beginn der eigenen Erwerbstätigkeit gekoppelt sein oder aber während der Studienphase geschehen. Er kann immer wieder hinausgezögert werden, aus Angst, aus Bequemlichkeit. Der Auszug kann äußerlich geschehen, während die Bindung ans Zuhause noch sehr stark ist und der Abschied gar nicht vollzogen wird.
    Der Auszug aus dem Elternhaus kann zu einer heiklen Lebenspassage werden. Für selbstwertschwache junge Menschen mag er eine Grenzerfahrung bedeuten, in der mit intensiven Verlassenheitsgefühlen, Angst und Panik reagiert wird. Je stärker ausgeprägt die vorherige Abhängigkeit war, als desto schmerzlicher und bedrohlicher kann die Ablösung erlebt werden. Wer in der frühen und späteren Kindheit unter Verlassenheit gelitten hat, wird den Schmerz und die Verzweiflung von früher wieder spüren. Das ist gut so, denn nur auf diese Weise wird es möglich werden, in einem allenfalls begleiteten Prozess (Beratung, Therapie) die Trennungsängste, Schuldgefühle und Loyalitätskonflikte zu bearbeiten, die in eine frühe Zeit hineinreichen. Der Auszug aus dem Elternhaus kann sich verkomplizieren, wenn beispielsweise eine Trennung von einem Freund, einer Freundin, eine Trennung der Eltern hinzukommt (Gefahr von Krisen, Sucht, Suizid, psychischen Erkrankungen).
    Eine Heirat und Familiengründung sind weitere existentielle Übergänge, wobei Trennung und neue Bindungen miteinander verschränkt sind. Sie bedeuten zudem einen weiteren Abschied von den Eltern.
    Übergänge, also Trennungs- und Anfangssituationen, können ein Leben lang frühere Verlassenheits- und Überforderungsängste wiederaufleben lassen, oft nicht (aber vielleicht auch) in der gleichen Stärke, aber zumindest als Ängste, die der bewussten Gestaltung bedürfen. Menschen mittraumatischen Trennungserfahrungen, bei denen weder eine innere Vorbereitung auf die Trennung noch eine nachfolgende Trauerarbeit möglich war, leiden bei jedem Übergang extrem. Angst lässt regredieren, das heißt auf frühere Entwicklungsstufen zurückgehen. Angst macht dumm. Mögliche neue Verletzungen können den früheren Schmerz noch vergrößern. Depressionen sind häufig ein Ausdruck einer unbewältigten oder unverarbeiteten Trauer bei früheren Übergängen.
    Fast alles in unserem Leben ist abhängig von Entscheidungen, die wir leben, bzw. von Entscheidungen anderer Menschen, die mehr oder weniger bewusst hingenommen werden. Entscheidungen fällen zu müssen macht vielen Menschen Angst, zumal die Entscheidung, etwas zu beenden – selbst dann, wenn etwas unerträglich geworden ist. Der Umgang mit Angst ist eine Schlüsselqualifikation des Menschen in der Moderne, der sein eigenes Leben zu erschaffen hat. 19 Übergangsphasen sind Phasen der Labilität und bringen Angst, auch Zweifel, Anspannung und Reaktivierungen früherer Schwierigkeiten mit sich. Neue Themen tauchen auf, alte wollen abgeschlossen werden. Ein Mensch ist nicht mehr unbedingt identisch, einig mit sich selbst. Er befindet sich im Übergang in eine neue Lebensphase.
    Das Leben hört nie auf, uns neue Übergänge abzuverlangen. Übergänge gehören unabdingbar zum Leben. Viele Übergänge geschehen fast unbemerkt und sind erst in der Rückschau festzumachen. Wir werden älter, wechseln Tätigkeiten, erweitern unsere Lebensrollen, ziehen um, feiern den Jahreswechsel, wir begrüßen Kinder, die zur Welt kommen, und verabschieden Menschen, die gestorben sind. In einem neuen Lebensübergang kann auch nachgeholt oder verändert werden, was bei einem

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