Die Kunst des guten Beendens
Spiel.
Obwohl in der heutigen Zeit immer mehr Vorgänge des Beendens von privaten und beruflichen Beziehungen verschiedenster Art, also durch äußere Faktoren bestimmt bzw. durch Sachzwänge eingeschränkt werden, wollen wir uns den psychischen Erschwernissen und Hindernissen beim Beenden-Können zuwenden.
Wahrscheinlich wird in jedem Beenden zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Ambivalenz erlebt, das heißt ein Schwanken zwischen ja und nein. Vertrautheiten und Sicherheiten werden aufgegeben, selbst wenn sie zur Fessel geworden sind. Es werden Trennungskonflikte zwischen Wunsch und Angst aktualisiert, Schmerz und Trauer über den Verlust sowie Erleichterung und Freude über die gewonnene Freiheit erlebt. Im Folgenden wenden wir uns diesen erschwerenden Faktoren zu.
Trennungsambivalenz: soll ich oder nicht?
Jegliches Beenden wird im Vorfeld und oft auch im Erleben ambivalent erlebt. Ein Mensch pendelt zwischen mindestens zwei Möglichkeiten: Ambivalenz ist vom Begriff her »zweiseitiges Werten«. Soll ich oder nicht? Will ich oder nicht? Kann ich oder nicht? Darf ich oder nicht? Muss ich oder nicht? Trennungsangst und Trennungswunsch können nebeneinander bestehen. Hinter der Angst kann sich ein Wunsch verstecken, der nicht zutage treten darf. In der Ambivalenz, im Schwanken zwischen zwei Möglichkeiten, kann sich ein Widerstand verbergen – eigentlich will man gar nicht, aber man kann nicht dazu stehen. Als Folge wird eine persönliche Entwicklung verhindert; ein ambivalenter Mensch erlebt sich blockiert, gefangen. Er verbraucht seine Lebensenergie im Hin-und-her-Schwanken, im Sich-nicht-entscheiden-Können. Ambivalenz ist kein angenehmer Zustand. Trotzdem dauert es oft sehr lange, bis ein daran leidender Mensch bei allen Bemühungen aus der Ambivalenz herauskommt.
Die Ambivalenz zeigt sich auch in der Beziehung selbst: im Schwanken zwischen Liebe und Hass, Nähe und Distanz,Bindung und Trennung. Einander entgegengesetzte Strebungen, Haltungen und Gefühle gibt es in der Beziehung gleichzeitig im Verhältnis zu ein und demselben Objekt.
Der quälende Zustand der inneren Entscheidungs- und Handlungsblockade – bei scheinbarer äußerer Handlungsfähigkeit – kann nicht einfach beendet werden, indem Prioritäten gesetzt und Verluste und Verzichte antizipiert werden. Es bedarf des Erkennens und der Aufarbeitung der inneren abgekapselten Konflikte und der tabuisierten Widersprüche. Die äußere Ambivalenz entspricht einer inneren . »Manche Seelen, ach, kämpfen in meiner Brust.« Das Eigene muss aus der Abhängigkeit von den möglichen Reaktionen des anderen befreit werden. Der Trennungswunsch muss stärker werden als die Trennungsangst. Dies ist bei Personen mit tiefgehenden ambivalenten Spaltungsmechanismen schwer erreichbar. Das So-wohl-als-auch bei einer erst anstehenden Entscheidung ist mit großer Angst, ja Panik verbunden. Erst wenn die Angst bewältigt werden kann, wird eine Entscheidung möglich.
Das Durchleben von Trennungsambivalenz hat einen positiven Aspekt: Die innere Auseinandersetzung mit Bindung oder Trennung, Festhalten oder Loslassen, Beginn oder Beenden hat begonnen. Lust und Angst gehören zu jeder wichtigen Entscheidung.
Hier das Beispiel einer Frau, 34-jährig, mit hoher Trennungsambivalenz:
Anita erzählt in der Therapie, wie sie immer wieder von ihrem alkoholisierten Ehemann geschlagen wird. Seitdem beide ihre schöne, große Wohnung verloren haben und in eine kleinere umziehen mussten und seitdem ihr kleiner Sohn geboren ist, ist es schlimmer geworden. Sie meldet das Geschlagenwerden jeweils der Polizei und sucht bei einer Nachbarin Zuflucht. Dann kehrt sie zu ihm zurück. Sie meditiert regelmäßig, und wenn sie dranbleibe und es täglich tue, dann gehe es ihr besser bzw. sie halte die Schläge, und damit ihre innere Zerrissenheit, besser aus. Sie hat schon seit vielen Jahren oft an eine Trennung gedacht. Dann wurde sie von ihrem Mann schwanger und trug dasKind aus. Sexualität verweigere sie ihm seit Jahren, und die Zeugung von Lars sei ein Fehltritt gewesen, weil der Mann an jenem Abend so nett gewesen sei.
Sie hat Mitleid mit ihm, mit seiner Sucht, seiner Einsamkeit. Sie setzt ihm und sich Ultimaten, die sie nicht einhalten kann. Der kleine Lars bekommt regelmäßig die Szenen mit und weint dabei. Es gibt immer wieder Notfall-Situationen: der Mann oder die Frau werden in die Klinik eingewiesen. Er streitet jegliches Alkoholproblem ab. Er schildert sich als das Opfer seiner
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