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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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gesundheitsschädigend bezeichnet werden. Erikas Gesundheit war gut. Sie achtete auf eine ausgewogene Ernährung, auch auf eine Kompensation ihres Alkoholkonsums.
    Was erhoffte sie sich von einer vorübergehenden Abstinenz? Sie wusste es genau: Vor allem ein gutes Gewissen, weder Scham noch Angst noch Abmachungen mit sich selbst, die sie dann sowieso nicht einhalten konnte. Keinen Kater amnächsten Morgen. Ein Gefühl von Freiheit. Das Gefühl, dass die Achtsamkeit, die sie sonst lebte, in allen Lebensbereichen möglich war.
    In einem zweiten Traum arbeitete sie im Garten. Plötzlich rennt ein Wildschwein auf sie los. Sie kann es überlisten und sich in Sicherheit bringen. Das Wildschwein ist weg. Da hört sie ein Geräusch im Gebüsch. Diesmal geht ein Wolf auf sie los. Auch diesmal gelingt es ihr, ihm auszuweichen. Sie springt ins Haus und ruft die Polizei an. Als sie den Traum erzählt, fügt sie eine Passage an, die sie sich beim Erwachen am Morgen ausgedacht hat. Sie will sich dafür einsetzen, dass Wildschwein und Wolf in einen Tiergarten mit genügend Auslauf kommen.
    Die wilden Tiere bzw. Triebe bedürfen der Zähmung.
    Erika merkt, dass sie sich einen ganz eigenen, individuellen Achtsamkeits- und Zähmungsplan erarbeiten will. Sie will weder ihrem Vater noch ihrer Mutter in sich folgen, die miteinander im Streit liegen. Sie will den Weg der Achtsamkeit konsequenter gehen und die Verantwortung dafür übernehmen. Sie bespricht sich mit ihren Freundinnen, um sich abzusichern, übernimmt aber bewusst die Verantwortung. Jetzt wirkt sie gelöster. Weder Abstinenz noch Trinken mit Schuldgefühlen sind ihr Weg. Sie verabschiedet ›Vater‹ und ›Mutter‹ in einem Ritual und schließt mit ihnen Frieden. Es ist ihre Form, einmal mehr das Beenden des süchtigen Trinkens zu versuchen.
Die Sucht, andere Menschen zu brauchen
    Letztlich kann sich aus jedem sehr starken, zwanghaften Bedürfnis eine Sucht entwickeln.
    In der Beziehungssucht sind Sucht und Zwangsvorstellungen eng verschränkt. Beziehungssüchtige Menschen sind immer auf der Suche, um angemessene Mitspieler für ihr eigenes inneres Drama zu finden: für frühere versagte Liebe, für Entbehrung und dafür, zu kurz gekommen zu sein, fürunbewusste Schuldgefühle, die so weit gehen können, dass man sich für seine bloße Existenz schuldig fühlt. Leben und Liebe machen schuldig, und nur der Tod könnte das tilgen.
    Beziehungssüchtige Menschen brauchen die »Mitarbeit« anderer Menschen, wobei sich jene oft nicht bewusst sind, dass sie als Rollenträger fungieren für die Projektionen der beziehungssüchtigen Person. Letztere ist sich oft nicht im Klaren, dass oder wie sie andere Menschen dazu bringt, diese Rollen zu übernehmen. Der Schlüssel passt ins Schlüsselloch – aber die Befriedigung darüber bleibt meistens aus oder wird nur momentweise erlebt. Ist es der unbewusste Wunsch nach Selbstbestrafung?
    Die Sucht beginnt dort, wo andere Menschen – selbst, wenn sie mitmachen – zwanghaft gebraucht und emotional oder sexuell konsumiert werden und zu Teilen von einem selbst werden. Das Anderssein des anderen Menschen wird verleugnet.
    Erwin erzählt: »Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Mein Drama läuft ausschließlich in mir ab. Meine Frau weiß nicht, dass ich in einer Art Zwang seit meiner Pubertät in kurzen, abenteuerlichen Begegnungen andere Männer sexuell konsumiere. Danach bestrafe und erniedrige ich mich ganz extrem. Dann ist es wieder für ein paar Tage vorbei. Ich halte es kaum mehr aus. Ich möchte aufhören damit, aber mein Trieb ist stärker. Die anderen, immer wechselnden Männer, sind ja bereit dazu, aber das lindert meine Verzweiflung nicht. Ich schäme mich abgrundtief für mein Verhalten. Und ich habe ein ebenso abgrundtiefes Gefühl, vom Leben betrogen zu sein, weil ich meinen leiblichen Vater nie gekannt habe.«
    Erwin erzählt weiter, dass er gutgebaute Männer um ihren Körper beneide. Er selbst gefalle sich überhaupt nicht. Mit den sexuellen Kontakten kann er für ein paar Minuten am Körper anderer Männer teilhaben. Gleichzeitig erlebt er sich als Opfer seines übermäßigen sexuellen Begehrens, das sich immer wieder in für ihn beschämenden und schmutzigen Handlungen ausdrücken muss. Er schlafe gern mit seiner Frau. Er masturbiere oft. Und doch ziehe es ihn seit seiner Pubertät immer wieder zumeist nur einmaligen Begegnungen mit homosexuellen Männern. Seine Schuldgefühle führen wiederum zwanghaft zur

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