Die Kunst des Pirschens
des »Träumers« sei.
Er sei im wesentlichen die Energie eines leuchtenden Wesens, eine weißliche, geisterhafte Emanation, die durch die Fixierung der zweiten Aufmerksamkeit als ein dreidimensionales Bild des Körpers projiziert wird. Don Juan erklärte, daß der Traumkörper kein Gespenst sei, sondern ebenso wirklich wie alles, womit wir es in der Welt zu tun haben. Er sagte, die zweite Aufmerksamkeit werde unvermeidlich angezogen, sich auf unser ganzes Sein als Energiefeld zu konzentrieren, und sie transformiere diese Energie in alles dafür Geeignete. Am leichtesten sei es natürlich, das Bild des physischen Körpers zu vergegenwärtigen, mit dem wir bereits im täglichen Leben durch den Gebrauch unserer ersten Aufmerksamkeit gründlich vertraut sind.
Jene Kraft aber, die die Energie unseres gesamten Seins auflöst, um alles das hervorzubringen, was innerhalb der Grenzen des Möglichen liegt, bezeichnete er als den »Willen«. Don Juan konnte nicht angeben, welches diese Grenzen wären, und meinte nur, daß auf der Ebene der leuchtenden Wesen alle Maßstäbe so weit seien, daß es vergeblich wäre, überhaupt Grenzen ziehen zu wollen. Daher könne die Energie eines leuchtenden Wesens durch den »Willen« in alles Mögliche verwandelt werden.
»Der Nagual sagte, daß der Traumkörper sich engagiert und sich mit allem verbindet«, sagte Benigno. »Er hat keine Vernunft. Männer sind schwächer als Frauen, so sagte er mir, denn der Traumkörper eines Mannes ist besitzergreifender.«
Die Schwesterchen pflichteten dem unisono mit einem Kopfnicken bei. La Gorda sah mich an und lächelte.
»Der Nagual hat mir erzählt, daß du der König des Besitzstrebens bist«, sagte sie zu mir. »Genaro sagte mir, daß du sogar deinen Kötteln Lebewohl nachrufst, bevor du die Spülung ziehst.«
Die Schwesterchen wälzten sich vor Lachen am Boden. Die Genaros waren sichtlich bemüht, sich zu beherrschen. Nestor, der neben mir saß, schlug mir aufs Knie.
»Der Nagual und Genaro haben immer so wilde Geschichten über dich erzählt«, sagte er.
»Jahrelang amüsierten sie uns mit Erzählungen über einen ulkigen Kauz, den sie kannten. Jetzt wissen wir, daß du es warst.«
Ich war von Verlegenheit überwältigt. Es war, als hätten Don Juan und Don Genaro mich verraten, mich vor den Lehrlingen bloßgestellt. Selbstmitleid erfaßte mich. Ich fing an zu klagen. Laut warf ich ihnen vor, sie seien gegen mich voreingenommen gewesen und hätten mich für einen Narren gehalten.
»Das ist nicht wahr«, sagte Benigno. »Wir sind begeistert, daß du bei uns bist.«
»Sind wir's, ja?« warf Lydia bissig ein.
Jetzt gerieten sie alle in einen hitzigen Disput. Die Männer und die Frauen waren geteilter Meinung. La Gorda schloß sich keiner Partei an. Sie blieb neben mir sitzen, während die anderen aufgesprungen waren und sich anbrüllten.
»Wir machen eine schwierige Zeit durch«, sagte la Gorda mit leiser Stimme zu mir. »Wir haben eine Menge geträumt, und doch reicht es nicht aus für das, was wir brauchen.«
»Was braucht ihr denn, Gorda?« fragte ich.
»Wir wissen es nicht«, sagte sie. »Wir hatten gehofft, du würdest es uns sagen.«
Die Schwesterchen und die Genaros setzten sich wieder ordentlich hin, um zu hören, was la Gorda zu mir sagte.
»Wir brauchen einen Führer«, fuhr sie fort. »Du bist der Nagual, aber du bist kein Führer.«
»Es braucht eine gewisse Zeit, um ein vollkommener Nagual zu werden«, sagte Pablito. »Der Nagual Juan Matus erzählte mir, daß er selbst in seiner Jugend ein armer Wicht war, bis jemand kam und ihn aus seiner Gleichgültigkeit aufrüttelte.«
»Das glaube ich nicht!« schrie Lydia. »Mir hat er das nie erzählt. «
»Er sagte, daß er ein ganz lausiger Kerl war«, warf la Gorda leise ein.
»Der Nagual erzählte mir, daß er in seiner Jugend ein Pechvogel war, genau wie ich«, sagte Pablito. »Auch er war von seinem Wohltäter ermahnt worden, keinen Fuß auf diese Pyramiden zu setzen, und darum wohnte er praktisch dort, bis er von einer Gespensterschar vertrieben wurde.«
Anscheinend kannte niemand von den anderen diese Geschichte. Sie spitzten die Ohren.
»Ich hatte es fast ganz vergessen«, erklärte Pablito. »Erst jetzt gerade fällt es mir ein. Es war genau wie das, was mit la Gorda geschah. Einen Tag, nachdem der Nagual endlich ein formloser Krieger geworden war, begannen die bösen Fixierungen jener Krieger, die ihr Träumen und ihr sonstiges Nicht-Tun in den Pyramiden
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