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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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aushalten. Andererseits könnte ich dich an einem Tag heilen, aber ich will nicht. Du wirst weiter zu mir kommen müssen, bis du verstanden hast, was ich dir zeigen will. Erst dann werde ich dich völlig heilen; sonst wirst du, eine Idiotin, die du bist, nie wiederkommen.«
    Und dann, so sagte Florinda, erklärte die Heilerin ihr mit viel Geduld die komplizierten Gründe für ihre Entscheidung, ihr zu helfen. Sie verstand kein Wort davon. Die Erklärungen brachten sie mehr denn je zu der Überzeugung, daß die Heilerin ein bisschen krank im Kopf sei.
    Als die Heilerin erkannte, daß sie sich Florinda nicht verständlich machen konnte, wurde sie noch ernster und ließ Florinda - wie ein kleines Kind - ein ums andere Mal wiederholen, daß ihr Leben ohne die Hilfe der Heilerin zu Ende sei und daß es der Heilerin freistünde, die Kur abzubrechen und sie hoffnungslos sterben zu lassen. Als Florinda sie schließlich anbettelte, sie möge die Heilung doch vollenden und sie nach Hause, zu ihrer Familie schicken, verlor die Frau die Geduld mit ihr. Sie packte eine Flasche, in der sie die Medizin aufbewahrte, schmetterte sie auf den Boden und sagte zu Florinda, daß sie mit ihr fertig sei.
    Daraufhin, so erzählte Florinda, weinte sie die einzigen echten Tränen ihres Lebens. Sie sagte der Heilerin, sie wolle doch nichts anderes als geheilt werden, und sie sei bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. Die Frau sagte, daß es für eine Bezahlung in Geldeswert zu spät sei und daß sie nicht Florindas Geld, sondern ihre Aufmerksamkeit forderte.
    Florinda gestand mir, sie habe im Lauf ihres Lebens gelernt, alles zu bekommen, was sie begehrte. Sie verstand sich auf Beharrlichkeit, und nun wandte sie ein, daß doch wohl Tausende von Patienten, halb tot wie sie selbst, zu der Heilerin gekommen wären und daß diese ihr Geld angenommen hatte. Warum also war es in ihrem Fall anders? Die Antwort der Heilerin, die für Florinda keinerlei Erklärung war, lautete, daß sie als Seherin Florindas leuchtenden Körper gesehen habe und daß sie und die Heilerin genau gleich seien. Florinda meinte, die Frau müsse wohl verrückt sein, wenn sie nicht erkannte, daß ein weltenweiter Unterschied zwischen ihnen bestand. Die Heilerin war eine grobschlächtige Indianerin, ungebildet und primitiv, während Florinda reich und schön und weiß war.
    Florinda fragte die Frau, was sie mit ihr vorhätte. Die Heilerin sagte, sie habe den Auftrag, sie zu heilen und sie dann etwas sehr Wichtiges zu lehren. Florinda wollte wissen, wer sie denn beauftragt habe. Die Frau erwiderte, es sei der Adler - eine Antwort, die Florinda endgültig davon überzeugte, daß die Frau völlig verrückt sein müsse. Und doch sah Florinda keine andere Möglichkeit, als den Forderungen der Frau zu gehorchen. Sie sagte ihr, sie sei willens, alles zu tun.
    Sofort änderte sich die feindselige Haltung der Frau. Sie gab Florinda eine Arznei mit auf den Weg und sagte ihr, sie solle so bald wie möglich wiederkommen.
    »Wie du selber weißt«, fuhr Florinda fort, »muß ein Lehrer den Schüler tricksen. Sie trickste mich mit der Heilung. Sie hatte recht. Ich war so eine Idiotin, daß ich, falls sie mich sofort geheilt hätte, wieder mein törichtes Leben aufgenommen hätte, als ob mit mir nichts geschehen wäre. Tun wir das nicht alle?«
    Schon die folgende Woche kam Florinda wieder. Bei der Ankunft wurde sie von dem alten Mann begrüßt, den sie schon früher kennengelernt hatte. Er sprach mit ihr, als ob sie die besten Freunde wären. Er sagte, die Heilerin sei vor ein paar Tagen fortgegangen und würde noch einige Tage fortbleiben; sie habe ihm aber eine Medizin für Florinda anvertraut, für den Fall, daß sie auftauchte. In sehr freundlichem, aber befehlendem Ton sagte er Florinda, die Abwesenheit der Heilerin lasse ihr nun zwei Möglichkeiten: sie könne nach Hause zurückkehren, aufgrund der anstrengenden Reise wahrscheinlich in schlechterer körperlicher Verfassung als vorher; oder sie könne die wohlerwogenen Anweisungen der Heilerin befolgen. Er fügte noch an, daß sie sich, falls sie zu bleiben und sofort mit der Behandlung anzufangen beschloß, in drei bis vier Monaten wie neugeboren fühlen würde. Es gebe allerdings eine Bedingung: falls sie zu bleiben beschloß, müsse sie acht Tage hintereinander im Haus der Heilerin bleiben, und unbedingt müsse sie ihre Diener nach Hause schicken.
    Da gab es nicht viel zu entscheiden, meinte Florinda; sie mußte bleiben. Sofort gab der

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