Die Kunst des Träumens
Energiekörper diesen Satz auf. Don Juan?«
»Als eine körperliche Empfindung, die schwer zu beschreiben ist. Du mußt es selbst erleben, dann weißt du. was ich meine.« Ich wünschte mir präzisere Erklärungen, aber Don Juan gab mir einen Schlag auf den Rücken und versetzte mich in die zweite Aufmerksamkeit. Was er da machte und wie er es machte, war mir damals noch völlig rätselhaft. Ich hätte geschworen, daß er mich durch den körperlichen Kontakt hypnotisierte. Mir war also, als habe er mich augenblicklich in Schlaf versetzt, und ich träumte, daß ich. mit ihm zusammen, auf einer breiten, baumbestandenen Allee spazieren ging, in einer mir unbekannten Stadt. Der Traum war so lebhaft, und alles war mir so klar bewußt, daß ich mich gleich zu orientieren suchte, indem ich die Straßenschilder las und neugierig die Menschen anschaute. Es war keine Stadt der englisch- oder spanischsprechenden Welt, sondern es war eine Stadt des westlichen Kulturkreises. Die Menschen wirkten wie Nordeuropäer - vielleicht waren es Litauer. Ich beschäftigte mich noch immer mit dein Entziffern von Straßenschildern und Reklametafeln.
Don Juan stieß mich leicht in die Seite. »Halte dich mit so etwas nicht auf«, sagte er. »Wir sind an keinem bestimmbaren Ort. Ich habe dir meine Energie geborgt, damit du deinen Energiekörper erreichen kannst, und mit ihm bist du eben in eine andere Welt übergewechselt. Es wird nicht lange dauern, darum nutze klug die Zeit.
Schau dir alles an, und tu es unauffällig. Gib acht, daß dich niemandentdeckt.«
Schweigend gingen wir ein paar Straßen weiter, was eine sonderbare Wirkung auf mich hatte. Je weiter wir gingen, desto stärker machte sich ein Angstgefühl in der Magengrube bemerkbar. Mein Verstand war neugierig, aber mein Körper war alarmiert. Mir war völlig klar, daß ich mich nicht in dieser unserer Welt befand. Als wir an eine Kreuzung kamen und stehenblieben, sah ich. daß die Bäume an dieser Straße sorgfältig beschnitten waren. Es waren kleine Bäume mit harten, eingerollten Blättern. Alle Bäume hatten unten, wohl zur Bewässerung, ein großes Rechteck offener Erde. Dort gab es kein Unkraut und keine Abfälle, wie man sie unter städtischen Alleebäumen findet, nur diese kohlschwarze, lockere Erde rund um den Stamm. Als ich nun meinen Blick auf den Bordstein richtete, kurz bevor ich auf die Straße treten wollte, fiel mir auf, daß es hier keine Autos gab. Ich beobachtete die vorbeikommenden Menschen, um vielleicht etwas zu entdecken, das meine Angst erklären konnte. Während ich sie anstarrte, begannen sie auch mich anzustarren. Sofort bildete sich ein Kreis von hart blickenden, blauen und braunen Augen um uns.
Plötzlich hatte ich die Gewißheit, daß dies kein Traum war! Wir waren in einer anderen Realität als jener, die ich als meine Realität kannte. Ich sah mich um nach Don Juan. Mir war, als wüßte ich nun. was an diesen Menschen so fremd war - aber jetzt fuhr mir ein sonderbar trockener Wind ins Gesicht, bis hinauf in die Nasenhöhlen, und nahm mir die Sicht: und ich vergaß, was ich zu Don Juan sagen wollte. Im nächsten Augenblick war ich wieder dort, wo alles angefangen hatte, nämlich in Don Juans Haus. Ich lag zusammengekrümmt auf der Seite, auf einer Strohmatte.
»Ich habe dir meine Energie geborgt, und du hast deinen Energiekörper erreicht«, sagte Don Juan wie selbstverständlich. Ich hörte ihn sprechen, aber ich war wie betäubt. Ein sonderbares Kribbeln im Zwerchfell zwang mich zu flachen, schmerzhaften Atemzügen. Ich wußte, ich war im Begriff gewesen, etwas Transzendentales über das Träumen und über die Menschen herauszufinden, die ich gesehen hatte. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren auf das. was ich wußte.
»Wo waren wir. Don Juan?« fragte ich. »War dies alles nur ein Traum, ein hypnotischer Zustand?«
»Es war kein Traum«, antwortete er. »es war das Träumen. Ich habe dir geholfen, die zweite Aufmerksamkeit zu erreichen, damit du begreifst, was Absicht ist - nicht als Sache des Verstandes, sondern des Energiekörpers.
Einstweilen wirst du die Bedeutung all dessen noch nicht verstehen; nicht nur, weil du noch nicht genügend Energie hast, sondern weil du noch nicht beabsichtigst. Sonst würde dein Energiekörper unmittelbar verstehen, daß die einzige Art des Beabsichtigens darin besteht, deine Absicht auf das zu richten, was du beabsichtigen willst. Dieses Mal habe ich deine Absicht auf das Erreichen deines Energiekörpers
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