Die Kunst des Träumens
relativ frei, aber nicht ganz. Sie werben immer noch um dein Bewußtsein.«
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Er hatte bei mir einen wunden Punkt berührt.
»Sage mir, Don Juan, was ich tun soll, und ich werde es tun«, sagte ich.
»Verhalte dich makellos, das habe ich dir dutzende Male gesagt. Makellos sein heißt, dein Leben ganz auf deine Entscheidungen auszurichten - und dann eine Menge mehr als dein Bestes zu tun, um diese Entscheidungen zu verwirklichen. Wenn du nichts entscheidest, spielst du nur aufs Geratewohl Roulette mit deinem Leben.«
Damit beendete Don Juan unser Gespräch und forderte mich auf. über seine W orte nachzudenken.
Bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bot, erprobte ich Don Juans Empfehlung, wie ich meinen Energiekörper bewegen könnte. Als ich wieder einmal meinen Körper im Schlaf sah. faßte ich einfach den Willensvorsatz, näher ans Bett zu treten, und mühte mich nicht, auf meinen Beinen dorthin zu gehen. Sofort war ich so nah, daß ich beinah meinen Körper anfassen konnte. Ich sah mein Gesicht, ich sah jede Pore in meiner Haut. Ich kann nicht sagen, daß es mir gefallen hätte, was ich da sah. Der Anblick meines Körpers war viel zu genau und detailliert, um ästhetisch angenehm zu sein. Dann fuhr etwas wie ein Windstoß durchs Zimmer, der alles durcheinander brachte und das Bild vor meinen Augen auslöschte. Bei meinen folgenden Träumen fand ich aber Bestätigung, daß die einzige Art, wie der Energiekörper sich bewegen kann, im Gleiten oder Schweben besteht. Ich sprach darüber mit Don Juan. Er schien ausnahmsweise zufrieden mit mir. was mich sehr überraschte. Ich war schon gewöhnt an seine kühle Reaktion auf alles, was ich bei meinen Traumübungen tat. »Dein Energiekörper ist daran gewöhnt, sich nur dann zu bewegen, wenn etwas ihn zieht«, sagte er. »Die anorganischen Wesen ziehen deinen Energiekörper nach links und nach rechts, wie es ihnen beliebt, und bislang hast du ihn noch niemals selbst, aus eigenem Willen, bewegt. Es mag dir unbedeutend Vorkommen, dich so zu bewegen, wie du's getan hast: aber ich muß dir sagen, daß ich schon ernstlich erwogen habe, deine Übungen zu beenden. Eine Zeitlang glaubte ich gar. du würdest nie lernen, dich von selbst zu bewegen.«
»Wolltest du meine Traumübungen beenden, weil ich zu langsam bin?«
»Du bist nicht langsam. Bei Zauberern dauert es eine Ewigkeit, bis sie lernen, ihren Energiekörper zu bewegen. Ich wollte deine Traumübungen beenden, weil ich keine Zeit mehr habe. Es gibt andere Themen, wichtigere als das Träumen, an die du deine Energie wenden kannst.«
»Jetzt aber, Don Juan, da ich gelernt habe, meinen Energiekörper zu bewegen - was sollte ich jetzt noch tun?«
»Dich weiterbewegen. Die Bewegung des Energiekörpers hat dir ein neues Feld eröffnet, einen Bereich ganz außerordentlicher Forschungen.«
Wieder drängte er mich, mir etwas einfallen zu lassen, wie ich die Richtigkeit meiner Träume überprüfen könnte; diese Aufforderung erschien mir nicht mehr so seltsam wie beim ersten Mal, als er sie vorbrachte.
»Von einem Scout sich transportieren zu lassen, ist, wie du weißt, die eigentliche Traum-Aufgabe der zweiten Pforte«, erklärte er. »Es ist eine schwierige Sache, aber nicht so schwierig wie das Komplettieren und Bewegen des Energiekörpers. Darum mußt du dich aus eigenen Stücken vergewissern, ob du wirklich dich selbst im Schlaf siehst oder ob du lediglich träumst, daß du dich schlafen siehst. Deine neuen, außerordentlichen Forschungsmöglichkeiten sind davon abhängig, ob du dich wirklich schlafen siehst.«
Nach langem Grübeln und Suchen glaubte ich. den richtigen Plan entwickelt zu haben. Die Tatsache, daß ich mein zerrissenes T- Shirt gesehen hatte, brachte mich auf die Idee, was ich mir als verläßliche Richtschnur wählen könnte. Ich ging von der Annahme aus, daß ich, falls ich mich wirklich im Schlaf beobachtete, wohl auch beobachten würde, ob ich das gleiche Nachtgewand trug, mit dem ich zu Bett gegangen war: und nun beschloß ich. dieses Gewand alle vier Tage gründlich zu ändern. Ich war zuversichtlich, daß ich mich in den Träumen mühelos erinnern könnte, was ich angezogen hatte, als ich zu Bett ging. Meine in Traumübungen erworbene Disziplin machte mich glauben, daß ich die Fähigkeit hätte, mir solche Dinge zu merken und mich später im Traum daran zu erinnern. Ich tat mein Bestes, um dieser Richtschnur zu folgen, aber die erwarteten Resultate
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