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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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bewegte. Dies habe ich dir nicht gesagt, aber immerhin angedeutet. Ich wollte sehen, ob du es allein herausfinden könntest - was dir natürlich gelungen ist.«
    Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Don Juan sah mich, wie immer, prüfend an. Sein durchdringender Blick glitt über meinen ganzen Körper.
    »Was habe ich eigentlich allein herausgefunden. Don Juan?« musste ich ihn fragen.
    »Du hast herausgefunden, daß dein Energiekörper komplett war«, antwortete er.
    »Ich habe nichts dergleichen herausgefunden, das kann ich dir versichern.«
    »Doch, das hast du. Angefangen hat es schon vor einiger Zeit, als es dir nicht gelang, eine Richtschnur zu finden, um die Realität deiner Träume zu überprüfen. Dann aber begann irgend etwas für dich zu arbeiten - und ließ dich wissen, ob du einen normalen Traum hattest oder nicht. Dieses Etwas war dein Energiekörper. Und jetzt verzweifelst du daran, daß du nicht die ideale Stelle finden kannst, um deinen Montagepunkt zu fixieren. Aber ich sage dir, du hast sie schon gefunden. Der Beweis ist, daß dein Energiekörper, wenn er sich umherbewegt, nicht mehr so zwanghaft an den Details interessiert ist.«
    Ich war verblüfft. Ich konnte nicht einmal eine meiner törichten Fragen stellen.
    »Was dir nun bevorsteht, ist ein Juwel für die Zauberer«, fuhr Don Juan fort. »Du wirst üben, in deinen Träumen Energie zu sehen. Die Aufgabe der dritten Traumpforte hast du erfüllt, nämlich, den Energiekörper von selbst sich bewegen zu lassen. Jetzt sollst du die eigentliche Aufgabe erfüllen: Energie zu .sehen, mit deinem Energiekörper.
    Tatsächlich hast du schon oft Energie gesehen«, fuhr er fort.
    »Aber das Sehen war jedesmal Zufall. Jetzt sollst du es aus eigenem Willen tun. Die Träumer haben eine Faustregel«, fuhr er fort. »Wenn ihr Energiekörper komplett ist. sehen sie Energie immer dann, wenn sie einen Gegenstand der alltäglichen Welt anstarren. Wenn sie im Traum die Energie eines Gegenstandes sehen, wissen sie, daß sie es mit einer realen Welt zu tun haben, ganz gleich, wie verzerrt diese Welt ihrer Traum-Aufmerksamkeit erscheinen mag. Wenn sie nicht die Energie eines Gegenstands sehen, sind sie in einem gewöhnlichen Traum, nicht in einer realen Welt.«
    »Was ist eine reale Welt, Don Juan?«
    »Eine Welt, die Energie hervorbringt; das Gegenteil einer Phantomwelt von Projektionen, wo keine Energie erzeugt wird, wie in den meisten unserer Träume, wo nichts einen energetischen Effekt hat.«
    Und dann gab Don Juan mir eine neue Definition des Träumens: ein Prozeß, durch den Träumer jene Bedingungen des Träumens isolieren, durch die sie Energie erzeugende Elemente im Traum finden können. Anscheinend guckte ich verständnislos. Don Juan erkannte mein Dilemma und gab mir lachend noch eine weitere, noch kompliziertere Definition: Träumen ist ein Prozeß, durch den wir beabsichtigen, adäquate Positionen des Montagepunktes zu finden - Positionen, die uns erlauben, Energie erzeugende Gegenstände in traumverwandten Zuständen wahrzunehmen. Und er erklärte mir, daß der Energiekörper auch solche Energie Wahrnehmen kann, die ganz verschieden ist von jener unserer Welt, wie im Fall der Traumgegenstände im Reich der anorganischen Wesen, die der Energiekörper als brutzelnde Energie wahrnehme. In unserer Welt, fügte er hinzu, brutzeln die Dinge nicht; hier flimmern sie.
    »Von nun an«, sagte er, »geht es bei deinem Träumen darum, herauszufinden, ob die Gegenstände, auf die du deine Traum-Aufmerksamkeit konzentrierst, Energie erzeugen. Ob sie bloße Phantomprojektionen sind, oder Generatoren fremder Energie.« Don Juan gestand mir, er habe gehofft, daß ich selbst auf die Idee kommen würde, Energie selbst als Maßstab zu wählen, um zu bestimmen, ob ich meinen realen Körper im Schlaf beobachtete oder nicht. Er lachte herzlich über meinen dürftigen Trick, alle vier Tage beim Schlafengehen eine ausgesuchte Verkleidung anzulegen. Wohl hätte ich alle nötigen Informationen zur Verfügung gehabt, meinte er, um herauszufinden, was die eigentliche Aufgabe an der dritten Pforte des Träumens sei; aber mein Interpretationsschema habe mich gezwungen, ausgefallene Lösungen zu suchen, denen vor allem eines fehlte: die Einfachheit und Direktheit der Zauberei.
     

9. Das neue Forschungsgebiet
    Um beim Träumen zu sehen, sagte Don Juan, müsse ich nicht nur das Sehen beabsichtigen, sondern auch meine Absicht laut aussprechen. Aus Gründen, die er allerdings

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