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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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fürchtete, von irgendeinem Detail in ihrem strahlenden Glanz gefesselt zu werden, aber die Frau trat wieder in die Tür zurück, bevor ich Zeit fand, meine Aufmerksamkeit ganz auf sie zu konzentrieren. Natürlich hatte ich die Absicht, ihr ins Innere des Geschäfts zu folgen. Doch meine Traum-Aufmerksamkeit wurde von einem beweglichen Lichtschein gefangengenommen. Hasserfüllt kam er auf mich losgestürzt. Ja, es lag Abscheu und Bosheit in diesem Licht. Ich sprang zurück. Das Licht verhielt in seinem Angriff. Eine schwarze Substanz verschlang mich, und ich erwachte. So lebhaft waren diese Bilder gewesen, daß ich fest glaubte, ich hätte Energie im Traum gesehen und dieser Traum sei einer jener Zustände, die Don Juan als traumverwandt bezeichnet hatte und die Energie erzeugten. Die Vorstellung, daß Träume in der geläufigen Realität unserer Alltagswelt stattfinden können, faszinierte mich sehr, genau wie die Bilder im Reich der anorganischen Wesen mich fasziniert hatten.
    »Diesmal hast du nicht nur Energie gesehen, sondern eine gefährliche Grenze überschritten«, sagte Don Juan, nachdem er meinen Bericht angehört hatte.
    Er wiederholte mir. daß der Drill der dritten Traumpforte den Zweck habe, den Energiekörper von selbst sich bewegen zu lassen. In meiner letzten Traumsitzung, sagte er, hätte ich ungewollt den Effekt dieses Trainings übertroffen und sei in eine andere Welt hinübergewechselt.
    »Dein Energiekörper hat sich bewegt«, sagte er. »Er hat von selbst eine Reise angetreten. Doch eine solche Reise übersteigt momentan deine Fähigkeiten. Und irgend etwas hat dich angegriffen«
    »Was, glaubst du, war es, Don Juan?«
    »Dies ist ein räuberisches Universum«, sagte er. »Es mag eines der unzähligen Wesen gewesen sein, die es dort draußen gibt.«
    »Warum, glaubst du, hat es mich angegriffen?«
    »Aus dem gleichen Grund, weshalb die anorganischen Wesen dich angriffen: weil du dich zugänglich machtest.«
    »Ist es so einfach, Don Juan?«
    »Gewiß. Es ist so einfach wie das, was du tun würdest, wenn eine unheimliche Spinne über deinen Tisch krabbelte, während du mit Schreiben beschäftigt wärst. Du würdest sie zerdrücken, aus Furcht, statt ihre Schönheit zu bewundern oder zu studieren.«
    Ich war verlegen und suchte nach Worten, um die richtige Frage zu stellen. Ich wollte ihn fragen, wo mein Traum wohl stattgefunden hatte oder in welcher Welt ich in jenem Traum gewesen war. Solche Fragen aber wären sinnlos gewesen, das verstand ich selbst. Don Juan war sehr mitfühlend.
    »Du möchtest wissen, worauf deine Traum-Aufmerksamkeit sich konzentrierte, nicht wahr?« fragte er grinsend. Genau das war es, was ich mit meiner Frage ausdrücken wollte. Ich unterstellte, daß ich in dem betreffenden Traum wohl ein reales Objekt angeschaut hatte. Genau das gleiche, was geschah, wenn ich in meinen Träumen die winzigsten Details am Fußboden, an den Wänden oder an der Tür meines Zimmers sah - lauter Einzelheiten, die, wie ich später bestätigt fand, tatsächlich existierten.
    Don Juan sagte, daß unsere Traum-Aufmerksamkeit bei besonderen Träumen wie jenem, den ich gehabt hatte, sich auf unsere Alltagswelt konzentriere und in dieser Welt von einem realen Objekt zum anderen springe. Was diese Bewegung ermögliche, sei die Tatsache, daß der Montagepunkt sich in der richtigen Position befinde. Aus dieser Position könne der Montagepunkt der Traum- Aufmerksamkeit solche Beweglichkeit verleihen, daß sie im Bruchteil einer Sekunde unglaubliche Distanzen zurücklege und dabei so rasche und flüchtige Wahrnehmungen hervorrufe, daß diese einem gewöhnlichen Traum glichen. In meinem Traum, erklärte Don Juan, hätte ich eine reale Vase gesehen, und dann habe sich meine Traum-Aufmerksamkeit über eine weite Distanz bewegt, um das surrealistische Bild einer juwelengeschmückten Frau zu sehen. Das Ergebnis - abgesehen davon, daß ich Energie gesehen hätte - sei einem gewöhnlichen Traum sehr ähnlich gewesen, bei dem die Gegenstände, wenn man sie anstarrt, sich rasch in etwas anderes verwandeln.
    »Ich weiß, wie beunruhigend das alles ist«, fuhr er fort, meiner Bestürzung wohl bewußt. »Aus irgendeinem Grund, der mit der Funktion unseres Geistes zusammenhängt, ist es erschütternder als alles andere, wenn man Energie im Traum sieht.« Ich wandte ein, ich hätte schon früher Energie im Traum gesehen. Nie aber habe es mich so mitgenommen.
    »Dein Energiekörper ist jetzt komplett und

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