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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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nicht erklären wollte, beharrte er darauf, ich müsse dies laut sagen. Wohl räumte er ein. es gebe auch andere Mittel zum selben Zweck, aber er war überzeugt, das Aussprechen der eigenen Absicht sei der einfachste und direkteste Weg.
    Als ich nun zum erstenmal meine Absicht, zu sehen, in Worte faßte, träumte ich von einem Kirchen-Basar. So viele Gegenstände waren dort aufgeboten, daß ich mich nicht entschließen konnte, welchen ich anstarren sollte. Eine auffällige große Vase in einer Ecke nahm mir die Entscheidung ab. Ich starrte sie an und äußerte meine Absicht, zu sehen. Die Vase blieb kurz in meinem Blick, dann verwandelte sie sich in einen anderen Gegenstand. In diesem Traum starrte ich so viele Dinge an, wie ich nur konnte. Hatte ich meine Absicht ausgesprochen, zu sehen, dann verschwand jeder dieser Gegenstände oder verwandelte sich in etwas anderes, wie es schon immer in meinen Traumübungen geschehen war. Schließlich war meine Traum-Aufmerksamkeit erschöpft, und ich erwachte - sehr frustriert, beinah wütend. Endlose Monate starrte ich dann im Traum auf Hunderte von Gegenständen und äußerte vorsätzlich meine Absicht, zu sehen, aber nie geschah etwas. Des Wartens müde, musste ich schließlich Don Juan um Rat fragen.
    »Du brauchst Geduld«, sagte er. »Du bist im Begriff, etwas ganz Außerordentliches zu lernen. Du lernst, im Traum das Sehen zu beabsichtigen. Eines Tages wirst du nicht mal mehr deine Absicht aussprechen müssen. Du wirst sie einfach durch deinen stummen Willen verwirklichen.«
    »Ich glaube, ich habe nicht verstanden, was ich da mache«, sagte ich. »Nichts geschieht, wenn ich meine Absicht, zu sehen, laut hinausrufe. Was hat das zu bedeuten?«
    »Es bedeutet, daß deine Träume bislang gewöhnliche Träume waren. Es waren Phantomprojektionen - Bilder, die nur in deiner Traum-Aufmerksamkeit lebendig sind.«
    Er wollte genau wissen, was mit den Gegenständen passierte, auf die ich meinen Blick richtete. Ich sagte, daß sie verschwanden, ihre Gestalt veränderten oder sogar Wirbel verursachten, die mich schließlich in einen anderen Traum überwechseln ließen.
    »So war es bei all meinen regelmäßigen Traum Übungen«, sagte ich. »Das einzig Ungewöhnliche ist, daß ich lerne, im Traum aus vollem Hals zu brüllen.«
    Bei meinen letzten Worten bog sich Don Juan vor Lachen, was ich ziemlich unangenehm fand. Ich sah weder das Komische meiner Äußerung noch den Grund für seine Reaktion. »Eines Tages wirst du erkennen, wie komisch das ist«, sagte er - gleichsam als Antwort auf meinen stummen Protest. »Einstweilen aber gib nicht auf und laß dich nicht entmutigen. Bemühe dich weiter. Früher oder später triffst du den richtigen Ton.« Er hatte recht, wie immer. Ein paar Monate später machte ich einen großen Treffer. Es war ein ganz ungewöhnlicher Traum. Gleich anfangs erschien ein Scout aus der Welt der anorganischen Wesen. Die Scouts, wie auch der Traumbotschafter, hatten bis dahin seltsamerweise in meinen Träumen gefehlt. Ich hatte sie nicht vermißt, auch nicht nachgedacht über ihr Verschwinden. Tatsächlich war ich so zufrieden mit ihrer Abwesenheit, daß ich vergessen hatte, Don Juan davon zu berichten. In diesem Traum war der Scout zuerst ein riesiger gelber Topas, den ich in einer Schublade fand. Kaum äußerte ich meine Absicht, zu sehen, da verwandelte der Topas sich in einen Tropfen brutzelnder Energie. Ich fürchtete schon, ihm folgen zu müssen, darum wandte ich meinen Blick ab von dem Scout und richtete ihn auf ein Aquarium mit tropischen Fischen. Ich äußerte meine Absicht, zu sehen, und erlebte eine gewaltige Überraschung. Das Aquarium leuchtete mit einem schwachen, grünlichen Licht und verwandelte sich in das große, surrealistische Porträt einer juwelengeschmückten Frau. Das Porträt strahlte das gleiche grünliche Licht aus, wenn ich meine Absicht aussprach, zu sehen. Während ich in dieses Licht starrte, veränderte sich der ganze Traum. Nun wanderte ich durch eine Straße- in einer Stadt, die mir bekannt vorkam. Es hätte Tucson sein können. Ich starrte auf Damenbekleidung in einem Schaufenster und äußerte laut meine Absicht, zusehen. Sofort begann eine schwarze Kleiderpuppe im Vordergrund zu leuchten. Dann starrte ich eine Verkäuferin an, die in diesem Augenblick hinzutrat, um das Schaufenster umzudekorieren. Sie sah mich an. Nachdem ich meine Absicht ausgesprochen hatte, sah ich sie leuchten. Es war so verblüffend, daß ich schon

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