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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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einem bedenklichen Widerspruch ertappt zu haben. Er hatte mir doch erzählt, daß die anorganischen Wesen sich nicht für Frauen interessierten. Und jetzt behauptete er das Gegenteil.
    »Nein, ich behaupte keineswegs das Gegenteil«, meinte er, als ich ihm dies vorhielt.
    »Ich habe dir gesagt daß die anorganischen Wesen nicht hinter Frauen her sind. Sie haben es nur auf Männer abgesehen. Aber ich habe dir auch gesagt, daß die anorganischen Wesen weiblichen Geschlechts sind und daß das ganze Universum überwiegend weiblich ist. Also, zieh deine eigenen Schlüsse.«
    Weil ich aber daraus keine Schlüsse zu ziehen wußte, erklärte mir Don Juan, daß Zauberinnen, zumindest in der Theorie, aufgrund ihrer gesteigerten Bewußtheit und ihrer Weiblichkeit imstande wären, in dieser Weil nach Belieben aus und ein zu gehen. »Weißt du das aus Erfahrung?« fragte ich. »Die Frauen meiner Gruppe haben es nie getan«, gestand er.
    »Nicht, weil sie es nicht könnten, sondern weil ich ihnen davon abgeraten habe. Die Frauen deiner Gruppe dagegen tun es wie Kleiderwechseln.«
    Ich spürte eine Leere im Bauch. Ich wußte wirklich nichts über die Frauen meiner Gruppe. Don Juan tröstete mich und sagte, daß meine Situation eine ganz andere sei als die seine, wie es auch meine Rolle als Nagual wäre. Er versicherte mir. daß es mir nicht gegeben sei, die Frauen meiner Gruppe von so etwas abzuhalten, und wenn ich mich auf den Kopf stellte.
    Während das Taxi uns zu Carols Hotel fuhr, entzückte sie Don Juan und mich mit ihren Parodien auf Leute, die wir kannten. Ich versuchte ernst zu bleiben und befragte sie nach unserer Aufgabe. Sie murmelte eine Entschuldigung, weil sie mir nicht mit dem gleichen Ernst antworten könne, den ich verdiente. Don Juan lachte schallend darüber, wie sie meinen feierlichen Tonfall nachahmte.
    Nachdem Carol sich im Hotel angemeldet hatte, schlenderten wir drei durch die Stadt, auf der Suche nach Buch-Antiquariaten. Wir aßen ein leichtes Dinner bei Sanborn's, in der Casa de los azulejos. Gegen 10 Uhr gingen wir zum Regis zurück. Wir stiegen direkt in den Aufzug. Meine Angst schärfte meine Wahrnehmung für Details. Das Hotel war ein altes, massives Gebäude. Die Möbel im Vestibül hatten offenbar bessere Zeiten gesehen. Dennoch umgab uns noch immer ein Rest alter Pracht, der eindeutig etwas für sich hatte. Ich konnte gut verstehen, warum Carol dieses Hotel liebte.
    Bevor wir in den Aufzug traten, steigerte sich meine Angst in solche Höhen, daß ich Don Juan um letzte Instruktionen bitten mußte.
    »Sage mir noch einmal, wie wir vorgehen sollen«, sagte ich. Don Juan zog uns zu den riesigen Polsterstühlen in der Lobby hinüber und erklärte uns geduldig, daß wir, in der Welt der anorganischen Wesen angekommen, unsere Absicht aussprechen sollten, unser normales Bewusstsein auf unseren Energiekörper zu übertragen. Er schlug vor, Carol und ich sollten gemeinsam unsere Absicht aussprechen, obgleich dies eigentlich nicht so bedeutsam war. Wichtig sei dagegen, sagte er, daß wir beide, jeder für sich, die Übertragung unseres gesamten Alltags - Bewußtseins auf den Energiekörper beabsichtigten.
    »Wie soll uns dieser Transfer von Bewußtheit gelingen?« fragte ich.
    »Beim Übertragen von Bewußtheit kommt es nur darauf an. daß wir unsere Absicht aussprechen und die nötige Energie haben«, sagte er.
    »Carol weiß das alles. Sie hat es doch schon getan. Sie ging körperlich in die Welt der anorganischen Wesen, als sie dich von dort rettete, erinnerst du dich? Ihre Energie wird es schaffen. Sie wird die Waagschale zum Kippen bringen.«
    »Die Waagschale zum Kippen bringen? Was verstehst du darunter, Don Juan? Ich tappe völlig im dunkeln.«
    Die Waagschale zum Kippen bringen bedeute, erklärte er. daß man seine gesamte physische Masse dem Energiekörper hinzufügt. Und wenn man Bewußtheit als Mittel benutze, um eine Reise in andere Welten zu unternehmen, so sei dies nicht Folge irgendwelcher angewandter Techniken, sondern einzig der Tatsache, daß man es beabsichtigt und genügend Energie hat. Wenn Carol Tiggs' ganze Energie der meinen hinzugefügt würde oder meine gesamte Energie der Energie Carols. so würde uns dies zu einer einzigen Einheit verbinden, die energetisch imstande wäre, unsere Körperlichkeit aufzuheben und sie auf den Energiekörper zu übertragen - um auf diese Weise die Reise anzutreten.
    »Was müssen wir genau tun, um in diese andere Welt einzutreten?« fragte Carol. Ihre

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