Die Kunst engagierter Gelassenheit
Person verbringen wollen, wo wir uns niederlassen wollen und ob wir uns mit der anderen Person über ein bestimmtes Thema austauschen wollen. Wir können aber auch unbemerkt mitten im Tun wirkungsvolle Pausen einschalten. Der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh empfiehlt immer wieder ein bewusstes Ein- und Ausatmen, wenn wir eine neue Tätigkeit aufnehmen, sei es das Lesen oder Schreiben einer E-Mail, das Telefonieren, Aufkleben einer Briefmarke oder Kopieren eines Dokuments.
Neben der Schweigemeditation existiert eine Fülle an Körper- und Atemübungen, die das Loslassen erleichtern. Auch Entspannungsmethoden wie das Malen eines Mandalas dienen dem Loslassen.
Gespräche
»Durch Gespräche mit meiner Frau, die auch Künstlerin ist, habe ich gelernt, mich während des künstlerischen Prozesses zurückzunehmen und zu distanzieren. Am Anfang unserer Beziehung habe ich in dieser Sache nicht auf sie hören wollen. Weil sie aber als Künstlerin diese Leidenschaft versteht, habe ich mit ihrer Hilfe gelernt,
ab und zu Distanz zu nehmen und nicht bis zum Umfallen zu arbeiten. So sind auch meine Migräneanfälle, unter denen ich früher oft gelitten hatte, verschwunden.« (Mann, 55 Jahre)
»Loslassen kann ich durch lange Gespräche mit meiner besten Freundin, wo ich jeweils erkenne, dass es anderen Menschen bei dem entsprechenden Thema so geht wie mir.« (TV-Moderatorin, 46 Jahre)
Das Gespräch hilft zweifellos loszulassen. Im Dialog mit einem Gegenüber können wir Ballast abwerfen. Und manches, was uns dramatisch erscheint, wird relativiert. Es dient der Psychohygiene, wenn wir bei ArbeitskollegInnen oder FreundInnen zwischendurch mal Luft ablassen können. Andere wählen bewusst die Aussprache mit einem professionellen externen Gegenüber, sei es ein Coach oder eine Psychotherapeutin, ein Beichtvater oder eine geistliche Begleiterin.
Literatur, Film, Musik, Malerei
»Eine wichtige ›Technik‹, um Distanz zu meinem Schicksal und damit Gelassenheit zu erhalten, ist die Lektüre. Eher nicht Fiktionales, sondern authentisch Erlebtes. Scheint mir mein eigenes Leben wieder einmal schwer erträglich, nehme ich mir bewusst die Biografien oder Briefwechsel von AutorInnen vor, die in sehr misslichen Verhältnissen lebten. Das relativiert mein eigenes Leiden sehr! (Frau, 52 Jahre)
»Ich lese viel und lasse mich von großen spirituellen Leuten inspirieren. « (Frau, 36 Jahre)
»Die Beschäftigung mit den Künsten gibt mir Kraft und Zuversicht, wenn es wieder einmal zu viel wird in mir drin und um mich
herum. Intensives Musik-hören oder das Betrachten von Bildern und Skulpturen bringt mich zur Ruhe. Eintauchen in eine andere Welt kann ich besonders mit Literatur. Lesen ist ein probates Mittel für mich, Angestrengtheit, Nervosität, Unruhe oder Unzufriedenheit zu überwinden. Oft genügt ein Gedicht, um mich umzustimmen. « (Mann, 58 Jahre)
Die Auseinandersetzung mit Kunst versetzt uns in andere Welten. Gedichte lesen oder verfassen, Musik hören und spielen, Singen, Bilder betrachten oder malen sowie der Besuch von Filmen, Theaterstücken, Ballett oder Oper ermöglichen nicht nur das kurzfristige Abschalten nach einem belastenden Arbeitstag oder Beziehungskonflikt, sondern helfen uns auch langfristig, die eigenen Sorgen und Ängste zu relativieren.
Distanz suchen, relativieren
»Ich darf und will mich nicht allzu wichtig nehmen, es gibt kaum etwas Vergänglicheres als die Zeitung, für die ich schreibe.« (Redakteur, 60 Jahre)
»Hilfreich ist bisweilen, sich die Relativität meines Tuns vor Augen zu halten: Über morgen ist die Zeitung von morgen Altpapier.« (Redakteur, 38 Jahre)
»Beim Loslassen hilft mir die jahrelange Erfahrung, dass weder die Welt noch die Zeitung untergehen, wenn eine Geschichte implodiert. Und die Sicht auf das große Ganze relativiert die einzelne Stresssituation.« (Chefredakteur, 42 Jahre)
»Die Beobachter- oder Meta-Ebene hilft, die nötige Distanz und den Schritt raus zu bekommen.« (Frau, 52 Jahre)
Die Dinge sind oftmals nicht so, wie sie uns erscheinen. Und sie bleiben auch nicht so, wie sie heute sind. Alles ist relativ. Wir müssen und können die Welt nicht retten und brauchen uns darum auch nicht wie die Mutter Oberin des Planeten aufspielen. Gleichzeitig darf das Faktum unserer Begrenztheit auch kein Alibi und keine Schutzbehauptung sein für eine allfällige Passivität, Gleichgültigkeit oder Resignation.
Damit ich die Dinge relativieren und loslassen kann, ist auch die
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