Die Kunst engagierter Gelassenheit
näher und hilfreicher sein können als Verwandte und Bekannte, Therapeuten und Seelsorgerinnen. Freundinnen, deren Männer und Väter sich umbrachten, überlebten psychisch vor allem wegen ihrer Hunde, Katzen und Pferde und konnten dank der Vierbeiner leichter loslassen.
Aufräumen, ordnen
Loslassen ist vor allem ein innerer Prozess. Weil das Innen und Außen aber stark korrespondieren, kann es sehr hilfreich sein, in Situationen, wo wir emotional etwas oder jemanden loslassen müssen, auch in unseren Siebensachen mal wieder Ordnung zu schaffen. Dieses Bedürfnis spüre ich jeweils speziell, wenn nahe Bekannte sterben. Gerade weil ich dann erlebe, dass wir am Ende nichts Materielles mit auf den weiteren Weg nehmen können, werfe ich dann jeweils einen kritischen Blick in meine Kleider- und Bücherregale und miste großzügig aus.
Rituale
»Eigentlich nützt bei mir nur eine Kirche und allenfalls ein Gottesdienst, bei dem ich mich innerlich voll hingeben kann.«
(Politikerin, 45 Jahre)
Rituale sind optimale Loslasshilfen. Nicht umsonst werden sie überall dort eingesetzt, wo es um Lebensübergänge geht. Bei der Taufe des ersten Kindes lassen die Eltern die traute Zweisamkeit los. Bei der Hochzeit lassen wir das Single-Leben los. Bei der Beerdigung lassen wir unsere Eltern oder Freunde weiter ziehen. Bei runden Geburtstagen verabschieden wir uns von der verlebten Zeit. Rituale verdichten und beschleunigen den Prozess des Loslassens mit feierlichen Symbolen. Zunehmend werden auch Trennungen und Scheidungen mit Ritualen verbunden, weil sie das Erlebte würdigen und somit das Freiwerden von Vergangenem ermöglichen und das Einlassen auf Neues erleichtern. Es freut mich auch, wenn Eltern ihren Kindern eine rituelle Kompetenz vermitteln. Durch das abendliche Singen, Erzählen und Beten am Bett lernen Kinder regelmäßig loszulassen.
Verzeihen
»Verzeihung ist der Weg zum Loslassen, zur Zufriedenheit und zur inneren Ruhe.« (Mann, 60 Jahre)
Wir können nur loslassen, was wir würdigen. Anderes kommt durch die Hintertür wieder in unsere Köpfe und Herzen herein. Jugendliche werden umso eher wie ihre Eltern, je mehr sie diese ablehnen und bewusst anders werden
wollen. Je schlechter wir unsere Ex-Partner und Partnerinnen machen, umso mehr Raum nehmen sie in unseren Gedanken ein. Vergebung, Verzeihung und Versöhnung ist nicht nur ein religiös-moralischer Akt und der Weg zur Heilung innerer Wunden, sondern vor allem der notwendige Schritt des Loslassens der eigenen Opferrolle und des Zurückfindens in die aktive und selbstverantwortete Gestaltung unseres Lebens.
Gedankenkontrolle und Neuorientierung
»Manchmal lenke ich mich absichtlich ab – habe das allerdings nur bei Liebeskummer so gemacht.« (Frau, 37 Jahre)
»Innere Ruhe kann ich finden, wenn ich an Bergerlebnisse und Griechenland-Ferien denke.« (Redakteur, 38 Jahre)
»Um auch in einer Krise oder Spannung loslassen und mich innerlich distanzieren zu können, erinnere ich mich an eine kompetente Person und überlege, wie sie wohl in dieser Situation handeln würde.« (Frau, 37 Jahre)
Gerade in leidvollen Situationen oder Krisen ist es sinnvoll, uns mit Imaginationsübungen und positiven Gedanken auf andere Themen zu fokussieren. Am Anfang geht es vielleicht mehr um ein Ablenken, mit der Zeit aber bildet das Steuern unserer Gedanken und Gefühle die Grundlage für eine neue Sichtweise und Orientierung.
■ Wo und wann lebe ich aus der Fülle heraus? Wann und wo fehlt mir nichts zum Glück?
■ Was will, kann oder muss ich loslassen, damit ich erfüllt und frei leben kann? (Beispiele: Materielles, Menschen, Vergangenes, Unverarbeitetes, Unerledigtes, Ideale, fixe Bilder und Ansichten, Verletzungen, Opfer-Täter-Rollen, unerfüllte Wünsche sowie das eigene Ego)
■ Welche Wege und Methoden des Loslassens kenne ich bereits und wende sie erfolgreich an? Welche Hilfen möchte ich einmal ausprobieren? (Beispiele: Natur, Bewegung, Schreiben, Meditation, Gebet, Pausen, Gespräche, Kunst, Vertrauen ins Leben, Rituale, Versöhnung)
■ Wofür möchte ich loslassen – zu welchem Ziel?
■ Was brauche ich, um loslassen zu können?
■ Was oder wen will ich bewusst nicht loslassen, aber ihm oder ihr einen neuen bzw. anderen Platz in meinem Leben zuordnen?
■ Welcher größere Lebensübergang steht bei mir in den kommenden Monaten oder Jahren an? Und wie will und kann ich diesen rituell gestalten?
Die »rechte« Sorge und Sorglosigkeit
Es ist kein
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