Die Kunst engagierter Gelassenheit
im Jetzt bin, es von Gedanken ungestört erleben kann, dann ist das Ausdruck für mein Vertrauen ins Leben, denn ich bin in diesem Moment ›ungewappnet‹ (wie die Engländer sagen ›with my defenses down‹) gegen den Unbill des Lebens.« (Frau, 49 Jahre)
»Positive Sorglosigkeit kenne ich als weise Heiterkeit und Vertrauen ins Leben. Nicht das Vertrauen, dass es ›gut rauskommt‹, sondern in die Liebe und Weisheit, wissend und hoffend, dass es Wege und Lösungen
gibt, um Leiden zu wandeln sowie Freude und Befreiung zu realisieren.« (Frau, 41 Jahre)
»Positive Sorglosigkeit erlebe ich in der Offenheit, mit der ich auf Unbekannte und Unbekanntes zugehe oder auch in der schnellen Verwirklichung von Ideen und Plänen. Dadurch gerate ich nicht in die Lethargie und Inflexibilität, die ich bei vielen Mitmenschen beobachte.« (Frau, 34 Jahre)
Problemverliebtes Grübeln
Nicht wenige Zeitgenossen zerbrechen sich nächtelang den Kopf und wärmen die Fehler und Verletzungen der Vergangenheit zum x-ten Mal auf. Oder sie liegen wach, weil sie die Zukunft für bedrohlich halten und sie sich permanent fragen, wie wohl der Chef morgen oder nächste Woche reagieren wird oder wie die Prüfungsresultate ausfallen werden. Eine Seminar-Teilnehmerin erzählte mir einmal von ihrer jahrelangen Schlaflosigkeit. Nachts liege sie meistens stundenlang wach, wenn ihre Kinder schulische Schwierigkeiten oder Beziehungsprobleme haben, krank oder verunfallt seien, wenn der Vorgesetzte sie in der Firma kritisiert habe oder wenn die Tagesschau von einer Überschwemmung in einem fernen Kontinent berichte. Und sie gab auch offen zu, dass die vielen schlaflosen Stunden und Nächte weder ihr noch sonst jemandem je geholfen hätten und dass das Wasser in den Flüssen trotz ihrer unzähligen Gedanken, Fantasien und Ängsten genau gleich weitergeflossen sei.
Psychologische Studien unterscheiden zwischen zwei Formen des Sorgenmachens – eine, die uns in unseren Unternehmungen lähmt, und eine, die als Motivation für ein sorgfältiges
und aufmerksames Wirken dient. Wer in der Kindheit das Grundgefühl von Sicherheit kaum erleben durfte, entwickelt später wohl eine stärkere Neigung zu unnötigem sich Sorgen machen – tagsüber wie des Nachts. Dieses Grübeln und Problematisieren lähmt und ist nur selten lösungs- und handlungsorientiert. Es gibt auch Problemverliebte, die oft und gern am Stammtisch oder in Leserbriefspalten über alles, was schlecht läuft in der Welt, hitzig diskutieren oder viel Zeit mit hypothetischen Problemen vertrödeln. Meistens aber bleibt es beim Reden und Jammern.
Vom Mitgefühl zur Tat
»Dort, wo ich etwas gegen Leiden und Missstände unternehmen kann, erlebe ich meine Sorgen als berechtigt.« (Mann, 71 Jahre) »Besorgt sein um oder für etwas oder jemanden, bringt nur etwas, wenn ich es mit Anteilnahme verbinden kann. Und Anteilnahme rechtfertigt sich nur da, wo ich bereit bin, wirklich jemanden oder etwas mitzutragen.« (Frau, 59 Jahre)
»Unproduktiv empfinde ich Sorgen, Grübeleien und Spekulationen, die nirgends hinführen, sondern in denen ich mich verliere – etwa Fragen wie ›Wie wird es mir in einigen Jahren gehen?‹ oder ›Warum tun die Regierungen nichts gegen dieses oder jenes Problem?‹ Sorgen dagegen, die im Sinne von Für-Sorge und Vor-Sorge dazu führen, dass ich mich um das Wohlergehen von anderen Menschen oder Lebewesen kümmere und hier und jetzt entsprechend handle, helfen mir, Mitgefühl zu entwickeln. Die Gedanken drehen sich dann viel mehr um pragmatische Fragen wie: ›Was kann ich jetzt konkret tun?‹.« (Frau, 41 Jahre)
Das rechte oder richtige, sinnvolle oder gute sich sorgen zeichnet sich dadurch aus, dass wir nicht nur nächtelang Gedanken wälzen und herumanalysieren, uns unseren diffusen Ängsten hingeben und dadurch gelähmt werden, sondern dass wir uns innerlich ergreifen lassen vom Leiden in uns und in der Welt, nach den tieferen Gründen des Leidens fragen und von dort her Schritte zum Handeln überlegen und tun. Das Sorgenmachen ist überall dort sinnvoll und nützlich, wo es zu präventivem Denken und proaktivem Handeln führt. Darum hege ich jeweils stille Zweifel, wenn ich höre, wie sehr sich Menschen um dieses und jenes »sorgen«. Wer sich echte Sorgen um seine Gesundheit macht, hört konsequenterweise mit dem Rauchen auf. Wer sich wirklich um die Umwelt sorgt, fährt nicht Auto, heizt nicht mit Öl und verreist nicht per Flugzeug in die Ferien. Wenn laut
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