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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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nicht gerecht werden kann.
    Wenn du deine Maßstäbe niedriger ansetzt, hast du seltener Gelegenheit, Schuldgefühle aufkommen zu lassen. Je strenger deine moralischen Normen sind, desto ausgeprägter sind auch deine Schuldgefühle. Und wenn du auf sämtliche moralischen Maßstäbe verzichtest, bist du völlig frei.
    SAG JA

14
    Das Ende der Hausarbeit oder
die Macht des Kerzenscheins
    Es ist genauso lästig, einen Diener zu haben
wie ein Diener zu sein.
D.H.Lawrence, »Education of the People«, 1918
    Nur wenige Tätigkeiten haben so sehr den Charakter
einer Sisyphusarbeit wie die der Hausfrau. Tag für Tag
wird Geschirr gespült, Staub gewischt, Wäsche geflickt,
um die Dinge am nächsten Tag wieder schmutzig,
staubig und zerrissen vorzufinden.
Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, 1949
    Eine gewisse Abneigung gegen die Hausarbeit – Saubermachen, Abwaschen, Wäschewaschen, Aufwischen, Bettenmachen – scheint den Menschen geradezu angeboren zu sein, jedenfalls den Fauleren unter uns. Im Frühmittelalter, als man auf manuelle Arbeiten herabblickte, war diese Aversion nicht weniger ausgeprägt. Zum Beispiel ließ Thomas von Aquin Tellerwäscher am unteren Ende seiner Berufsskala rangieren, weil sie mit Schmutz zu tun hatten. Griechen und Römer überließen den Sklaven derart unerfreuliche Arbeiten. In George Orwells Erledigt in Paris und London sind die plongeurs minderwertiger als alle anderen. Sie stehen in der Pariser Küchenhierarchie weit unter den vergleichsweise aristokratischen Kellnern und Köchen. Und wenn man den Fehler macht, sich beim Arbeitsamt nach einer Stelle umzusehen, dann werden, wie es scheint, immer nur solche angeboten, die keiner haben will: die für Küchenhilfen.
    Im kapitalistischen System versucht man das Problem der Hausarbeit üblicherweise dadurch zu lösen, dass man genug Geld verdient, um einen anderen für diese Tätigkeit verpflichten zu können. Bargeld befreit uns von der Mühe. Der mittelständische viktorianische Haushalt war voll von Bediensteten, und sogar der bescheidenste Dorfpfarrer beschäftigte eine Haushälterin. Die kluge viktorianische Ehefrau wurde zu einem schwachen, dauernd in Ohnmacht fallenden, nutzlosen, zusammengeschnürten Ziergegenstand und durfte nicht arbeiten. Darin unterschied sie sich radikal von der geschäftigen georgianischen Hausfrau.
    Eine Lösung, die in westlichen Gesellschaften gefördert wird, ist der Kauf von Maschinen, die uns die Arbeit abnehmen. Geschirrspül- und Waschmaschinen gelten heute als Grundbestandteile jedes Haushalts. Aber verringert beispielsweise der Geschirrspüler tatsächlich unsere Arbeitslast, oder werden wir durch das raffinierte Versprechen, uns werde »das Leben erleichtert«, nur um unser Geld gebracht?
    Wir kauften vor zwei Jahren eine Geschirrspülmaschine, und zuerst schien sie, wie eine menschliche Helferin, ein Gottesgeschenk zu sein. Welch schöne neue Welt, die solche Maschinen hat! Du legst die Teller und Bestecke hinein, und eine Stunde später sind sie sauber! So lautet jedenfalls die Theorie, doch die Realität sieht anders aus. Wenn man die Maschine nicht jeden Tag säubert und die erforderlichen Spezialsalze und dergleichen nachfüllt, hört sie auf zu spülen, so dass die Teller nach dem Waschgang immer noch schmutzverkrustet sind und unter dem Wasserhahn gereinigt werden müssen. Geschirrspüler eignen sich zudem nicht für die Reinigung schwieriger Dinge wie mit Porridge überzogene Töpfe oder schmierige Backbleche. Ihnen musst du dich selbst widmen. Und dann sind da die ökologischen Probleme: Wie viel Reinigungsmittel und Strom benötigst du, um dein Geschirr von der Maschine spülen zu lassen? Zu bedenken ist auch der enorme Aufwand, der mit einer Geschirrspülmaschine verbunden ist: Die Teller müssen zunächst abgespült und dann in die Maschine gestellt werden, dann ist da der Kauf aller nötigenTabletten und Lösungen, und außerdem muss das Gerät – wie entsetzlich – zum Schluss noch geleert werden! Und man braucht von allen Küchenartikeln drei Exemplare, weil derjenige, nach dem man sucht, gerade in der Maschine ist. Wasch mit der Hand ab, und sämtliche Probleme werden vermieden.
    Wie wir später sehen werden, verstärken Maschinen die Einsamkeit und die Isolation, die eines der zentralen Probleme des modernen Lebens darstellen. Die Frau ist allein mit der Wäsche zu Hause, während sich der Göttergatte beim Mittagessen im Restaurant mit Kollegen und Freunden vergnügt. Er hat

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