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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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einer Zeitschriftenredaktion, die mir nicht gefiel, gefangen war (ich könnte auch von freiwilliger Einkerkerung sprechen, da ich jederzeit hätte kündigen können), verbrachte ich meine freien Stunden damit, mir eine vernichtende Kündigungsrede auszudenken, die ich dem Chef eines Tages halten würde. Natürlich hielt ich sie nicht, sondern gab mich damit zufrieden, im Pub zu jammern.
    Die Zukunft hat immer mit Maschinen zu tun, aber ich denke an die Gegenwart. Die Zukunft ist ein kapitalistisches Konstrukt. Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Zukunft uns viele, viele Male im Stich gelassen hat. Die technologische Utopie, dass die Maschinen die gesamte Arbeit übernehmen, hat uns schon früher enttäuscht, und auch unser neuer Glaube an die Digitaltechnologie wird uns enttäuschen. »Wenn wir von Zukunft reden, meinen wir die Hoffnung , die der Mensch nun in die Zukunft setzt,« heißt es in einem Schlager, den ich einmal gehört habe. Die so genannte Zukunft ist jedoch ein Teil des Anti-Lebenssystems: Wir werden durch das Versprechen zum Stillhalten gebracht, dass die Dinge irgendwann in der »Zukunft« besser werden. Die Zukunft ist Teil der klassischen protestantischen Idee von der Verzögerung des Genusses. Zum Beispiel werden Renten als Garanten einer schöneren Zukunft verkauft. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Dinge sofort – hier und jetzt – besser werden können.
    Die Arts-and-Crafts-Bewegung wurde wegen ihrer nostalgischen und sentimentalen Haltung zur Vergangenheit kritisiert. Sie mag diese Haltung vertreten haben, aber Tatsache ist, dass die Vergangenheit als große Schatzkammer der Ideen für ein gutes Leben dienen kann. Diese Ideen wurden in die Praxis umgesetzt, und ihre Ergebnisse sind sichtbar. Ideen für die Zukunft sind unerprobt, es handelt sich um Spekulationen und Fantasien. Die Zukunft ist noch nicht eingetreten, weshalb es weniger verschroben sein dürfte, sich durch die Vergangenheit – und nicht durch die Zukunft – inspirieren zu lassen. Zurzeit entwickelt sich zum Beispiel eine Bewegung, die mittelalterliche Technologien – in Form von Windmühlen und Wassermühlen – neu zu nutzen, weil wir endlich begreifen, dass es überaus teuer und verschwenderisch ist, Energie aus einer zentralisierten Quelle zu kaufen, statt sie selbst zu produzieren. Und jeden, der das industrielle System verteidigen möchte, bitte ich lediglich, Florenz mit Swindon zu vergleichen. Sogar der eingefleischteste Relativist wird mir zustimmen, dass Florenz schöner ist. Es wurde von Menschen gebaut, die Maschinen benutzten, nicht von Maschinen, die Menschen benutzten, und es ging aus einer kleinformatigen föderativen Struktur hervor. Alles Positive, was heute im Bereich von Arbeit, Kunst und Leben geschieht, ist trotz, nicht infolge unseres Systems eingetreten.
    Deshalb sage ich: Wirf die Maschinen weg. Sie haben uns im Stich gelassen. Sie sind laut, teuer und erzeugen Einsamkeit. Denk nicht: »Was will ich besitzen?«, sondern: »Worauf kann ich verzichten?« Der moderne Bauer verbringt den ganzen Tag damit, allein mit seinem Trecker auf seinem Feld hin und her zu fahren und Dünger zu verteilen. In alten Zeiten wäre diese Aufgabe durch eine Gruppe von Männern erledigt worden, die zusammengearbeitet, geplaudert, Pause gemacht und ihren Körper eingesetzt hätten. Maschinen trennen uns von uns selbst. Das gilt jedoch nicht für das Werkzeug. Spaten, Meißel, Sichel, Taschenmesser – das sind Instrumente der Befreiung.
    BENUTZ EINE SENSE

17
    Ein Lob auf die Melancholie
    Eine schlimme und verdrießliche Krankheit,
die Menschen zu Tieren entarten lässt.
Melanelius, zitiert von Burton
    Groß ist die Kraft der Einbildung, und in viel
höherem Maße sollte die Melancholie dieser Ursache als
der Störung des Körpers zugeschrieben werden.
Arnoldus, zitiert von Burton
    Einige Autoren erwähnen etliche tausend Gifte;
aber das sind Kleinigkeiten im Hinblick auf
den größten Feind des Menschen – den Menschen selbst.
Denn der ist durch die Einflüsterungen des Bösen stets bereit,
Unheil anzurichten, und erweist sich als sein eigener Henker,
als Wolf, als Satan sich selbst und den anderen gegenüber.
Robert Burton, Anatomie der Melancholie, 1621
    In der ärgerlichen Frage der Melancholie, der Depression, der schwarzen Galle müssen wir uns an den Weltexperten wenden, den berühmten, gelehrten Analytiker und sanften Denker Robert Burton, der 1621 das heiterste und erheiterndste aller Bücher, Anatomie der

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