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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Bahnhof nutzen, um sein Blackberry zu checken. Vor Jahren kaufte ich mir für einen Batzen Geld einen digitalen Organizer und verbrachte Stunden damit, mein Adressbuch einzutippen. Dann wurde mir klar, dass ich mir für die Kosten dieses faden Objekts Smythson-Featherweight-Notizbücher für rund zwanzig Jahre hätte leisten können. Das Smythson Featherweight ist ein schönes, in Leder gebundenes Taschennotizbuch, das den Benutzer immer wieder zutiefst erfreut.
    Als die Manie der Digitaltechnologie Mitte der Neunziger begann, war ich zugegebenermaßen einer ihrer Anhänger. Ich war begeistert von Computern und dem Aufbau des Internets. Das Ganze wirkte auf den ersten Blick so befreiend: Was für eine Vorstellung, dass man über das Web jeden Text veröffentlichen und ein Publikum dafür finden konnte, ohne den Druck und den übrigen Hokuspokus bezahlen zu müssen, der mit der Produktion und dem Vertrieb eines physischen Objekts einhergeht. Anfangs fand ich sogar Gefallen an Handys, weil ich fälschlicherweise glaubte, sie könnten uns vom Büro befreien und dadurch die Faulenzerei fördern. In Wirklichkeit bewirken sie natürlich, dass man das Büro überallhin mitnimmt, denn man ist stets erreichbar. So werden angenehme Abende im Pub ruiniert, weil der Chef anruft.
    Die Aufregung, die die Digitaltechnologie begleitet, entspricht genau dem Fieber, mit dem man in der Vergangenheit auf andere neue Technologien, etwa auf die Eisenbahn, reagierte. Anfangs scheint die Technologie einen neuen Nervenkitzel und das Ende von Beschränkungen zu versprechen. Ein paar sentimentale Pioniere schwärmen von den abstrakten Möglichkeiten. Aber dann machen sich die Geschäftsleute ans Werk. Opponenten und Zyniker werden als Feinde des Fortschritts verdammt. Forscher schreiben Bücher über den »neuen Weg«. Die Medien sehen eine glanzvolle Morgenröte heraufziehen. Die Dummköpfe auf der Straße – Leute wie ich – kaufen das Gerät. Eine Blase bildet sich, dehnt sich aus und platzt. Die City Boys suchen das Weite, um ihre Beute zu sichten, die kleinen Anleger machen ihre eigene Dummheit verantwortlich, und neunzig Prozent der Unternehmen verschwinden. Aber zehn Prozent bleiben zurück, und sie dominieren die Technologie. Aus diesem Grund ist das Internet mittlerweile kaum mehr als ein riesiger Versandkatalog. Schön, man kann sich online aus Enzyklopädien informieren, aber vorher war es möglich, zu Hause oder in der Bücherei Nachschlagewerke zurate zu ziehen! Und man konnte wahrscheinlich einen erholsamen Spaziergang zur Bibliothek und zurück machen. Die Digitaltechnologie mag das liefern, was man will, jedoch nicht das, was man braucht.
    Um uns von dem Glauben an Maschinen und Technik zu befreien, sollten wir uns der Vergangenheit zuwenden. Ich habe entdeckt, dass es sehr leicht ist, wie ein Millionär zu leben, wenn man ein wenig in der Zeit zurückgeht. Beispielsweise kosten Super-8-Kameras aus den Sechzigern fast nichts und machen viel mehr Spaß als der grässliche Camcorder. Wer möchte schon zusehen, wie Kinder anderthalb Stunden lang auf der Schaukel spielen? Super-8-Filme sind zum Glück nur jeweils drei Minuten lang und, besser noch, stumm. Ich spiele gern einen drei Minuten langen Popsong im Hintergrund, der vage etwas mit dem Thema zu tun haben sollte. Und dann fühle ich mich nicht nur wie Paul McCartney im Jahr 1966 mit dem neuesten Dingsbums, sondern alle in dem Film sehen auch aus wie Paul McCartney im Jahr 1966. Oder wie Jane Asher. Die Filmqualität hat etwas sehr Großmütiges.
    Je länger du wartest, desto billiger werden technische Geräte. Vermutlich könnte man sich einen Videorecorder heutzutage kostenlos zulegen, während man 1966, als sich sämtliche Beatles einen kauften, mehrere tausend Pfund dafür aufbringen musste. Wenn du bereit bist, auch nur ein oder zwei Jahre zu warten, werden technische Geräte zum Schnäppchen.
    Und je weiter man sich technologisch zurückwendet, desto vergnüglicher wird das Leben. Ich habe mir gerade für ein Butterbrot eine Handdruckpresse mit zehn Schubladen voll Bleitypen und einem Kasten mit Krimskrams gekauft. Damit lassen sich Texte Buchstabe für Buchstabe mit der Hand setzen. Es klingt langweilig, doch in Wirklichkeit ist es ein Genuss, jeden Buchstaben zu betrachten und zu platzieren. Ich habe damit wunderbares Briefpapier mit einem, zugegeben, etwas wackligen Briefkopf hergestellt, und das hat nur ein, zwei Stunden gedauert. Natürlich hätte ich etwas

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