Die Kunst, frei zu sein
Ähnliches in etwa fünf Minuten mit dem Computer zustande gebracht, aber der Prozess wäre einerseits viel weniger genussvoll gewesen, und andererseits hätte das Ergebnis niemals solch einen Charme gehabt. Die Buchstaben waren schief, die Tinte ungleichmäßig verteilt, aber ich liebte mein Papier. Es war von Menschenhand geschaffen, einzigartig, individuell. Ein Handwerksprodukt. Ich plane, mich noch weiter zurückzubegeben, meine Motorsense durch eine Handsense zu ersetzen und zu Feder und Tintenfass zu greifen. Schließlich ist es eine große Freude, einen Brief mit einem Füllfederhalter auf gutem Papier zu schreiben, statt eine E-Mail loszujagen. Beglückend ist es auch, einen echten Brief von einem Freund – vielleicht mit herauspurzelnden Bierdeckeln, Postkarten und Zeitungsausschnitten – zu erhalten. Auf Wiedersehen, E-Mail, hallo, Royal Mail.
Die Arts-and-Crafts-Bewegung glaubte nicht daran, dass Dampfkraft und Maschinen großen Maßstabs die Menschheit erlösen würden. Ganz im Gegenteil, sie empfand die Maschine de natura als Mittel der Versklavung. Als Maschinen begannen, Lebensmittel herzustellen, hielten viele das Ergebnis gegenüber lediglich von Menschen gemachten Produkten für eine Verbesserung. Eric Gill erinnert sich daran, dass auf dem Dach der Backfabrik seines Heimatsorts die Aufschrift »CLARK’S MACHINEMADE BREAD« angebracht worden war. Als er nach etlichen Jahren zurückkehrte, schien Mr. Clark einen Marketingfehler erkannt zu haben, denn nun las Gill »die ungeheuerliche Bekanntmachung: CLARK’S FARM-HOUSE BREAD«. Von dem Maschinenbrot war er also zum guten alten Bauernbrot zurückgekehrt.
Das Londoner Victoria-und-Albert-Museum veranstaltete kürzlich eine Arts-and-Crafts-Ausstellung. Sie machte mir klar, dass die Bewegung nicht bloß die private Passion von ein paar Spinnern in Ditchling war, sondern eine global einflussreiche neue Denkweise. Manche Säle waren Arts and Crafts in Japan, andere Arts and Crafts in den USA gewidmet. Ich wurde von meinem Freund Matthew von der Gentlemen’s Art Appreciation Society (Kunstverständnis-Gesellschaft für Gentlemen) begleitet; sein Großvater John Valentine Kilbride gehörte zu den führenden Persönlichkeiten der Gruppe in Ditchling. Er hatte Matthew von Japanern erzählt, die auskundschafteten, was im Vereinigten Königreich vor sich ging, um dann heimzukehren und ihre eigene Kunsthandwerkstradition wie- derzuentdecken. Das Erfreuliche an Arts and Crafts ist, dass die Bewegung außer der Richtlinie, schöne und nützliche Dinge möglichst weitgehend per Hand herzustellen, kein weiteres ästhetisches Programm vertrat.
Die Grundidee von Arts and Crafts unterschied sich deutlich von Wildes Vorstellung, dass Maschinen nützliche Sachen und Menschen schöne Dinge produzieren sollten. Arts and Crafts war bemüht, beides miteinander zu vereinen, etwa bei der Herstellung von Tapeten, Textilien, Tonwaren, Glaswaren und Möbeln. Kunst und Leben, durch die industrielle Revolution auseinandergerissen, sollten wieder zusammengefügt werden.
Die Distributisten, jene geradlinigen Katholiken der zwanziger Jahre, waren ebenfalls der Meinung, dass umfassend eingesetzte Maschinen ihrem Wesen nach der Knechtung dienten. In der Welt der Distributisten, wo jede Familie ein eigenes Grundstück besaß und von der Lohnsklaverei unabhängig war, sollten Maschinen im Hintergrund bleiben. Dazu Arthur J. Penty:
[Wir] glauben, dass der Mensch letzten Endes fähig sein sollte, für sich selbst zu sorgen, und [wir] lehnen den umfassenden Gebrauch von Maschinen ab, weil er uns an diesem Vorsatz hindert. Die Spezialisierung, die Maschinen erfordern, beraubt die Menschen ihrer manuellen Geschicklichkeit und untergräbt ihre persönliche Unabhängigkeit und ihre Selbstachtung … Unzweifelhaft geht es uns in geistiger Hinsicht nicht gut, denn die uneingeschränkt verwendeten Maschinen haben nicht nur eine Spannung erzeugt, die unser gesamtes Leben mit Angst erfüllt, sie haben die Industriearbeiter auch enthumanisiert und entspiritualisiert. Sie haben ein Rachegefühl entstehen lassen, das in diesen Tagen revolutionäre Ausdrucksformen findet. Wir sollten uns nicht täuschen: Es gibt eine eindeutige Beziehung zwischen dem Wachstum des revolutionären Geistes und der Massenproduktion.
Jeder, der einmal in einer großen Fabrik, einem Lagerhaus oder einem Büro gearbeitet hat, wird mit dem unterschwellig brodelnden Ärger über das Management vertraut sein. Als ich in
Weitere Kostenlose Bücher