Die Kunstjaegerin
habe eine Verabredung«, bat Theresa.
»Hoffantlich ned mit ’n Wenz. Den hom’s umbrocht«, sagte eine Frau mit heiserer Stimme neben ihr.
Wie erstarrt blieb Theresa stehen. Das konnte unmöglich stimmen. Sie sah sich um. Wo steckte nur Paul?
Eine kleine, schmallippige Dame lispelte, ohne den Blick von der Tür abzuwenden: »Sind Sie sicher, dass der Wenz das Opfer ist?
Ich hab gehört, er hat wen ermordet.«
»Ach woher, da Oide is tot«, entgegnete die erste Frau erbost.
»Wenn’s nix wiss’n, hoidns die Luft aun.«
»Na, da würd ich aber ersticken«, keifte die andere zurück.
»Wär ned schod.«
Theresa nahm das Gezeter der beiden wie durch eine Nebelwand wahr. Ihr Magen rebellierte, Schwindel überkam sie. Als ihre Knie einzuknicken drohten, hielt sie sich an ihrem Nachbarn fest.
»Ist Ihnen schlecht? Brauchen Sie was zu trinken?«
»Nein, danke … geht wieder, mir ist nur … etwas übel«, antwortete Theresa. »Ich wollte gerade Herrn Wenz besuchen, weil er ein Bild von mir …«
»Das werden’s nicht mehr sehn«, unterbrach sie jemand.
»Ich hab’s ja immer gewusst, mit dem nimmt’s ein schlimmes End«, flüsterte eine rauchige Stimme hinter ihr.
»Wer sich mit Hunden schlafen legt, wacht mit Flöhen auf.«
»Der ist bestimmt betrunken die Treppe runtergefallen.«
Das Geraune, Gezische und Geläster nahm zu. Wirre Spekulationen surrten durch die Luft. Gerade als Theresa flüchten wollte, entdeckte sie Paul und schlängelte sich zu ihm durch.
»Salut, mon cœur, du bist ganz blass.« Er nahm sie schützend in den Arm.
»Mir geht es gut, aber weißt du, was los ist?«
»Ich habe dem ganzen Geschwätz lediglich entnehmen können, dass Rembert etwas passiert ist. Wobei die einhellige Meinung ist, er wäre selbst schuld.« Bitter fügte er hinzu: »An was auch immer.
Warten wir, bis die Leute weg sind, dann gehen wir zu ihm.«
»Aber wenn es stimmt?«, antwortete Theresa mit brüchiger Stimme. Sie hatte den Restaurator erst vor vier Tagen kennengelernt und nun sollte er schon wieder aus ihrem Leben verschwunden sein? Sie wollte doch mit ihm im Atelier sitzen, den Duft der Antiquitäten einatmen und Bilder in ihrem Kopf entstehen lassen.
»Wann bist du gekommen?«, fragte sie, um sich abzulenken.
»Vor fünf Minuten.« Paul strich ihr beruhigend über die Schulter und führte sie weg von dem Gedränge. »Warte hier, ich versuche, mehr zu erfahren.« Er ließ sie, sachte an einen dicken Baumstamm angelehnt, zurück und verschwand wieder in der Menge der Schaulustigen.
Theresa sah ihm nach, wie er sich energisch seinen Weg bahnte.
Paul Hohenau konnte sein blaues Blut nur schwer verbergen und versuchte es auch gar nicht. Die hellen Locken, stets einen Hauch zu lang, und sein grauer Dreiteiler aus Flanell, den er zu keiner Zeit abzulegen schien, verliehen ihm etwas Dandyhaftes. Er pflegte sein snobistisches Image, um lästige Menschen auf Abstand zu halten.
Doch komischerweise flogen langbeinige Blondinen genau darauf.
Wenn er nicht gerade in einem Chemielabor der Universität Wien stand und unterrichtete, kutschierte er seine Eroberungen stilvoll in seinem alten MG-Cabrio durch die – wie er sich auszudrücken pflegte – ehemaligen Kronländer.
Erst als Paul nicht mehr zu sehen war, bemerkte Theresa einen Einsatzwagen und ein Zivilfahrzeug, das derart demonstrativ im Parkverbot stand, dass es nur der Polizei gehören konnte. Genau in diesem Moment kamen zwei Uniformierte aus dem Antiquitätengeschäft und versuchten die Menschenmenge zu zerstreuen. Einer der beiden begann, die Personalien der Schaulustigen aufzunehmen, und auf einmal standen nur noch halb so viele Passanten herum.
Aus irgendeinem Grund fühlte sich Theresa wieder beobachtet.
Sie sah umher. Wieso glotzte sie dieser alte Typ da drüben so an?
Sie starrte herausfordernd zurück, bis der Mann den Blick senkte und verschwand. Komische Leute gab es.
Ein klägliches Miauen ließ sie aufhorchen: Renoir saß ver-schreckt im Baum über ihr, dieses Mal bar jeglicher Arroganz. Sie vergaß ihre anfängliche Abneigung und hob den Kater herunter. Er schmiegte sich an sie und wirkte verloren und verängstigt. Ein bisschen wie sie selbst. Theresa kraulte seinen Nacken. »Was machst du hier draußen? Solltest du nicht drinnen Wachhund spielen? Da hast du wohl versagt, was?«
Renoir stupste trotz des Vorwurfs seinen Kopf schnurrend an ihr Kinn und sie genoss seine Wärme. Eine kleine, weiße Flocke setzte sich
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