Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
rührte sich nicht von der Stelle und bat: »Ich möchte mehr darüber wissen, schweigt nicht, bitte sprecht weiter!«
    »Später, Freund«, versprach Pico. »Einstweilen wollen wir es dabei bewenden lassen. Und verschließe das Gehörte in den Tiefen deines Herzens, lass es von dort nie entweichen, denn jedes Wort, das du zu einem Fremden sprichst, bedeutet deinen sicheren Tod. Erinnere dich: Mein Angesicht ist der Kerker der Liebe!«
    Alles Bitten und Sträuben half nicht, die Männer nahmen ihren neuen Bruder Donato einfach in ihre Mitte und machten sich auf den Weg zu Girolamos Gasthof.
    Unterwegs erfuhr Bramante, dass das Aufnahmeritual der Bruderschaft stets in dieser Kirche stattfand, weil sie ein Zentralbau war, den Dante geliebt hatte und in dem sich auch seine Grabstätte befand. Dass es eine Kirche der Bruderschaft war, erkannte man an der steinernen Rose am Eingang, die die Fedeli freilich unter geschickt angebrachten Zerstörungen verborgen hatten.
    Während die Männer durch die Straßen Ravennas schritten, sprachen sie über die Grundlage ihrer neuen Baukunst: Diese bestand im Maß der Engel, das der Architekt Hiram in Jerusalem benutzt hatte, um im Auftrag König Salomos den Tempel zu errichten. Dieses Maß würde sich in den antiken Bau- und Kunstwerken finden lassen, es lag – und davon waren sie alle fest überzeugt – in deren Proportionen verborgen. Denn die Welt bestand für sie aus Proportion und Perspektive, aus Maß und Sichtweise. Das galt für die Gebäude, aber mehr noch für den Bau des Staates. Die Männer beschlossen, Geld zu sammeln. Bramante sollte den Auftrag bekommen, alle antiken Gebäude und Ruinen von Rom bis Neapel zu vermessen. Zuvor aber sollte er unter Leonardos Anleitung Dantes Weltenbau-Gedicht gründlich studieren sowie Architekturtheoretiker wie Vitruv und Alberti, den er teils schon kannte. Solchermaßen gerüstet, durfte er dann ans Werk gehen.
    Im Wirtshaus »Zum tatkräftigen Hiram« angelangt, widmeten sich die Fedeli nur noch der köstlichen Mahlzeit, die ihnen Girolamo vorsetzte. Mit keinem Wort wurde mehr erwähnt, was sie in San Vitale besprochen hatten. Bramante nahm sich vor, Leonardo nach all den vielen neuen Namen zu fragen. Wenn er diese überhaupt schon einmal gehört hatte, so verband er mit ihren Trägern meist nur eine sehr unzureichende Vorstellung. Die Männer wirkten wie ausgewechselt, hatten alle höheren Gedanken abgelegt und frönten nur noch ihren Gelüsten. Musiker spielten auf, und die Mädchen, die Bramante bestellt hatte, näherten sich der Gesellschaft mit ebenso reizendem Lächeln wie zwei schöne Jünglinge, die Leonardo allerdings auch aus Mailand mitgebracht haben konnte.
    »Wo zum Henker ist der Graf?«, rief Bramante plötzlich und sah sich suchend im Zimmer um.
    »Wisse, mein Freund, Messèr Giovanni Pico della Mirandola muss nur ein paar Stunden in einer fremden Stadt weilen – bei seinem Aufbruch hinterlässt er mit Sicherheit eine Liebschaft, die auf ihn wartet und die er besucht, wenn er wieder an den Ort zurückkehrt. Ein Sonntagskind, unser Graf. Weiß der Teufel, warum, aber die Frauen lieben ihn!«, erklärte Leonardo.
    »Verdammt noch mal, wenn der Satansbraten nur halb so gut mit seinem Schwanz umzugehen weiß wie mit seinen Worten, dann versteh ich es sogar!«, fluchte Bramante und zog eine üppige Schöne auf seinen Schoß. Sie hielt eine Schale mit Kirschen in der Hand, aus der sie sich eben eine Handvoll Früchte nahm und in den Mund schob. Sie kaute, schmatzte und spuckte die Kerne aus, während ihr der Obstsaft rechts und links an den Mundwinkeln herunterlief und auf die vom geöffneten Mieder freigegebenen Brüste tropfte. Rot wie Blut.
    »Lass mir was von den Früchtchen übrig«, rief Bramante ausgelassen, packte ihr Kinn, zog ihren Mund zu sich und küsste sie ungestüm. Weich fühlten sich ihre Lippen an, und unvergleichlich süß schmeckten die Früchte.

4

    Rom, Anno Domini 1492
    Giacomo zählte elf Männer im Mönchshabit, die sich um einen kleinen Altar versammelt hatten, auf dem drei dicke weiße Kerzen brannten, rein und klar wie die Feuer in ihren Herzen. Nicht nur Dominikaner, auch Franziskaner in ihren braunen Kutten waren darunter und Augustiner, erkennbar an ihren vorn geknöpften Umhängen, Benediktiner mit ihren großen Gürteln und dem Kreuz vor der Brust und schließlich Kamaldulenser, unverwechselbar durch das grobe weiße Obergewand.
    Die Verlängerung des Schachts, der senkrecht in die Tiefe

Weitere Kostenlose Bücher