Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
zum Grab Petri führte, bildete eine Mauer mit roten Schriftzeichen. Sah man daran herab, fiel der Blick auf eine grob behauene Steinkiste, die zehn Ellen tiefer stand. In ihr ruhten die sterblichen Überreste des ersten Apostels. Dieser ärmliche Sarg rechtfertigte den Machtanspruch der Päpste seit nunmehr dreißig Generationen. Jeder dieser elf Männer kannte die Einsetzungsworte des Herrn auswendig: »Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben.« Bevor sie diese Worte verrieten, würde jeder von ihnen das Martyrium in Kauf nehmen. Das hatten sie geschworen. Es gab keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit ihres Eides zu zweifeln.
Giacomo wusste das. Und er wusste auch, dass ihr Christentum inzwischen aus der Mode gekommen war, dass Priester, Bischöfe, selbst Kardinäle und sogar Päpste nicht nur sündigten, sondern in ihrer Gier nach Lust, Luxus, Macht und Reichtum selbst vor Todsünden nicht mehr zurückschreckten und sich zuweilen im Ausmaß ihrer Missetaten zu übertreffen suchten. Aus tiefstem Herzen hassten die elf Männer diese neue Hinneigung zu den Heiden, die in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommen war, die neue Liebe zum Altertum, die wie eine Seuche ausgebrochen war und unterschiedslos Kleriker, Theologen, Philosophen und Fürsten befallen hatte. Deshalb nannten sie sich auch die geheime Erzbruderschaft der Perfekten, Archiconfraternita de Perfecti in Segreto . Sie empfanden sich als Kreuzfahrer, und sie strebten den perfekten Glauben an.
Einmal im Monat streiften sie kurz vor Mitternacht die Mönchskutten über, um alle an der Kleidung sichtbaren Rangunterschiede auszulöschen, und betraten heimlich über die Seiteneingänge die alte Basilika, den ehrwürdigen Kirchenraum, den Konstantin der Große auf dem Mons vaticanus hatte errichten lassen, als Zeichen, dass von nun das Christentum über die Welt herrsche.
Über Kopf und Gesicht hatten die Glaubenskämpfer Kapuzen gestreift. Die Schlitze darin gaben nur Münder und Augen frei. Unheimlich, nahezu gespenstisch nahmen sich die Gestalten in der vom Schein dreier Kerzen erhellten Krypta aus. Meist war es Giacomo gewesen, der die fast immer gefährlichen Aufträge der Bruderschaft ausführte, und nun sollte er endlich aufgenommen werden. Unzweifelhaft war dies der Höhepunkt seines bisherigen Lebens. So musste die Seligkeit schmecken, dachte er, bittersüß. Ein Glück, so gewaltig, dass es Furcht vor seiner Größe hervorrief.
Als Giacomo in die Krypta trat, gab der Prior der Erzbruderschaft, Francesco Todeschini Piccolomini, das Zeichen. Die Männer schlugen ihre Kapuzen zurück und knieten zum Gebet nieder. Giacomo sah in die guten, anständigen Gesichter von Männern, die vom Glauben durchdrungen waren. Der Prior stimmte das Glaubensbekenntnis an, und alle fielen ein: » Credo in unum Deum, patrem omnipotentem, factorem caeli et terrae visibilium omnium et invisibilium – ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.«
»Amen«, sagten die Männer im Chor.
Der Kardinal Piccolomini erhob sich, und alle taten es ihm gleich. »Meine lieben Brüder«, begann er, »schlimme Zeiten sind angebrochen. Jeder darf unsere Mutter Kirche beleidigen, ihr Schimpf antun oder ihr Land rauben wie der König von Neapel. Aber das wisst ihr alles. Auch an den von Ketzern verübten Mord an unserem lieben Bruder Pedro Albaruez erinnert ihr euch.
Aber wir haben einen würdigen jungen Mann, der seinen Platz einnehmen wird. Bruder Giacomo, genannt der Katalane, vom Orden des heiligen Dominikus. Spanier wie Bruder Pedro, aber was spielt das für eine Rolle? Ein Mann des Glaubens, noch jung an Jahren, aber spricht das gegen seine Entschlossenheit?
Wir haben dich lange beobachtet, Giacomo, und dir schwierige Aufgaben gestellt. Du hast sie alle vorbildlich erfüllt. Deshalb wollen wir dich nun als Mitglied unserer Bruderschaft willkommen heißen. Knie nieder, du Kind Gottes!«
Giacomo folgte der Aufforderung. Stolz und Freude erfüllten sein Herz, und ein heiliger Schauer durchfuhr ihn.
»Schwöre, dass du niemals den Herrn, deinen Gott, und auch deine Brüder verraten wirst, dass du wie Jesus und Petrus und Paulus und die vielen anderen Zierden des Glaubens eher das Martyrium in Kauf nehmen wirst und dass du in
Weitere Kostenlose Bücher