Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Thesen verfasst, in denen er das Heidentum, die Magie und die Kabbala an die Stelle des Christentums setzen will. Er behauptet zwar, dass all dieses im Christentum Platz hätte, aber, meine lieben Brüder, wenn man das Christentum so hemmungslos erweitert, gleicht es bald einem übervollen Sack, der platzen muss. Und genau darin besteht das Ziel dieser Unwürdigen! Deshalb hat der Heilige Vater den Grafen zu Recht als Ketzer verurteilt und exkommuniziert. Doch was nützt das, wenn ihn mächtige Leute wie Lorenzo de Medici schützen.«
»Vor Gottes Zorn wird er ihn nicht bewahren können!«, rief Robert von Lecce.
»Sei ein Werkzeug Gottes, Giacomo!«, sagte der Prior und sah dem jungen Dominikaner fest in die Augen.
Giacomos Auftrag sah vor, dass er sich das Vertrauen des Grafen Giovanni Pico della Mirandola erschleichen und am besten sein Sekretär werden sollte. So könnte er mehr über den Geheimbund der Ketzer in Erfahrung bringen und den Ketzervater eines günstigen Tages töten. Dabei sollte er bedächtig und geschickt zu Werke gehen, denn keinesfalls durfte das unerwartete Ableben des jungen Philosophen, der in ganz Europa bestens bekannt war, wie Mord aussehen. Die Tat durfte nicht auf die Kirche zurückfallen.
Ausruhen ließ man Giacomo nicht. Gleich am Morgen sollte er aufbrechen.
Mailand, Anno Domini 1494
»Schlaf deinen Rausch ein andermal aus!«
Donato Bramante fuhr zusammen und richtete sich schlaftrunken im Bett auf, fuhr mit der Hand über seinen kahlen Schädel und rülpste. »Wie spät ist es?«
»Mittag, aber das spielt keine Rolle«, erklärte Leonardo da Vinci unwirsch. Kühl und mitleidlos ruhte sein Blick auf Bramante, der sich in einem bedauernswerten Zustand befand. Den dampfenden Leib des Architekten verhüllte nur dürftig ein langes, nicht sehr reinliches Hemd. Schuhe, Hose, Wams, Mantel und das Wehrgehänge waren über den Boden verstreut. Bei dem Versuch, den unverhofften Besucher zu mustern, traf ein Lichtstrahl Bramantes verquollene Augen und ließ ihn zusammenzucken. Er hob einen Zipfel der Bettdecke an, stöhnte und krabbelte schließlich bäuchlings wie ein Käfer unter dem schweren Damast über die Matratze.
»Was suchst du?«
»Eine Frau!«
»Hier ist keine Frau!«, entgegnete Leonardo spitz.
»Keine Frau?« Bramante tauchte sichtlich enttäuscht wieder auf und kratzte sich am Kopf. »So, hatte ich keine bei mir? Seltsam, ich hätte schwören können … hab ich also nur geträumt, ach, was für ein Traum das war! Grundgütiger, schick mir so ein Weib in Wirklich…«
»Schweig!«, fuhr ihn der Maler zornig an und hob gebieterisch die Hand. Wie gut sich der schwarze Samt seines Handschuhs mit dem wie aus Silberfäden gewirkten Haar machte, dachte Bramante, der ihn mit zusammengekniffenen Augen betrachtete.
»Oh, mein Kopf«, stöhnte er und versuchte, seinen schweren Schädel so wenig wie möglich zu bewegen.
Der Mann aus Vinci nahm indes keine Rücksicht auf Bramantes Zustand, sondern redete mit der größten Ungeduld auf ihn ein. Er habe verstörende Nachrichten aus Florenz erhalten. Der Dichter Angelo Poliziano solle in wahnsinniger Raserei elend zugrunde gegangen, die Medici vor dem fanatischen Prediger Savonarola und seinem Anhang geflohen sein, und Graf Mirandola liege, vom Fieber geschlagen, krank darnieder. Von Giuliano da Sangallo konnte man keine Hilfe erwarten, da dieser in Rom weilte und deshalb nicht eingreifen konnte. Landino war zu alt und lebte inzwischen auf seinem Landgut, Gleiches galt für Ficino. Und Giovanni de Medici war für diese Aufgabe nicht nur zu jung, sondern hatte selbst, um sein Leben zu retten, als Mönch verkleidet fliehen müssen. Außer Pico schien sich keiner der Fedeli d’Amore mehr in der Arnostadt aufzuhalten. Ein Bundesbruder müsse sogleich aufbrechen, um nach ihrem Prior zu sehen, und, falls Pico tatsächlich der Hilfe bedurfte, ihm diese angedeihen lassen.
Bramante, der den Grafen ins Herz geschlossen hatte, zögerte keine Sekunde. Aus einer Karaffe, die neben dem Bett stand, goss er sich einen Schluck abgestandenen Weines in den Mund, schüttelte sich und rief nach seinem Diener.
»Giorgio, Lumpenhund, Bastard, elender, hol meine Reisesachen raus, sattle mein Pferd, ich muss weg!«, brüllte er. Hastig zog er Hose, Wams und einen Stiefel an, während er nach dem zweiten Ausschau hielt. Als Giorgio erschien, erteilte er ihm kurz Anweisungen für die Zeit seiner Abwesenheit. Dann suchte er, auf einem Bein hüpfend,
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