Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
von Francesco und den Freunden aufopferungsvoll gepflegt. Einmal am Tag kam der jüdische Arzt Isaac di Bonet de Lates und sah nach ihm. Rührend kümmerte sich auch der aus Arezzo stammende und in Florenz lebende Maler und Architekt Giorgio Vasari um ihn, mit dem er sich vor Kurzem angefreundet hatte. Vasari hatte Papst Paul III. versprochen, den großen Saal, die Cancelleria , in nur hundert Tagen auszumalen. Obwohl er Tag und Nacht zu tun hatte, um sein vollmundiges Versprechen zu halten, besuchte er Michelangelo regelmäßig. Er mochte den etwa halb so alten Künstler, der aber älter wirkte, weil er immer überlegt und gesetzt auftrat. Und Vasari vergötterte Michelangelo auf eine angenehme, nicht kriecherische Art. Auch Vittoria Colonna besuchte ihn, aber er bat sie, davon Abstand zu nehmen und sich selbst zu pflegen, denn er spürte, dass auch ihre Gesundheit angegriffen war. Sie hustete viel und hatte dunkle Ränder unter den Augen. Ihr Gesicht hatte seine gesunde Frische und Fülle eingebüßt. Es wirkte nur hart, spitz und knochig. Wie ein Totenschädel, bis aufs Gerippe abgemagert, dachte er erschrocken. »Im Frühjahr wird uns neues Leben durchströmen, und wir werden wie die Natur auferstehen«, hatte er ihr noch zum Abschied gesagt, bevor er wieder in die Fieberträume glitt.
Kaum hatte er sich vom Krankenbett erhoben, wurde er zum Papst gerufen. Er wunderte sich, dass er nicht in den Vatikan, sondern in den Palazzo della Cancelleria beordert wurde. In einem großen Saal im piano nobile fand er den Papst in Begleitung der Kardinäle Giovanni Morone und Gian Pietro Carafa. Giorgio Vasari, der tatsächlich Wort gehalten hatte, erläuterte sein Bild, auf dem Paul III. dargestellt war, wie er die Vollendung des Petersdomes befahl. Der trostlose Zustand der Baustelle und die Energie des Papstes standen in einem hoffnungserheischenden Gegensatz. Die Aussage auf dem Fresko erreichte eine geradezu propagandistische Qualität: Neu Sankt Peter würde entstehen dank Pauls III.
Als Michelangelo eintrat, leuchteten Vasaris Augen auf. Diese Reaktion veranlasste den Stellvertreter Christ: sich umzuschauen.
»Ah, Michelangelo, komm her zu Uns«, sagte er. Auch Morone mit seinem freundlich lachenden Gesicht und Carafa, der wie immer aussah, als hätte er in eine Zitrone gebissen, wandten sich zu ihm um.
Die ergrauenden Haare ungekämmt, mit verwildertem Bart, schwarzer Hose, schwarzer Jacke und weißem Hemd, wie er es immer trug, kniete Michelangelo vor dem Papst nieder. Paul III. hielt ihm die rechte Hand mit dem Fischerring hin, die der Künstler küsste. Dann erhob er sich. Vasari, dachte er mit einem Blick auf das Bild, war zwar kein großer Künstler, aber ein ganz brauchbarer und handwerklich versierter Maler. Fleiß ersetzte bei ihm die Intuition. Dafür vermochte er etwas, was nur wenigen gegeben war – er konnte Kunst sehen.
»Was hältst du von dem Bild?«, fragte der Papst.
»Gelungen«, sagte Michelangelo, der Vasari einerseits nicht zu nahe treten, anderseits nicht lügen wollte.
»Das sehen Wir auch«, entgegnete Paul III. Obwohl es wie eine Zurechtweisung klang, spürte Michelangelo, dass der kluge Farnese-Papst ein Spiel trieb. »Und was hältst du von der Baustelle, die Uns täglich nur den Spott der Ketzer einbringt?«
»Bramante hätte es zu Ende bringen müssen.« Zwar war sein alter Gegner seit über dreißig Jahren tot, aber er hasste ihn noch immer.
»Wahr, aber nicht zu ändern. Dennoch muss es zu Ende geführt werden. Von anderen! Und zwar von dir, Michelangelo!« Kaum hatte der Papst die Worte gesprochen, stimmten das einzige Mal in ihrem Leben Michelangelo und der Großinquisitor Carafa im Stillen überein. Nein, dachten sie beide. Nicht ich! Nicht er!
»Ich bin zu alt dafür, Heiliger Vater!«
»Er ist wirklich zu alt dafür«, sekundierte Carafa.
»Außerdem bin ich kein Architekt«
»Er ist in der Tat kein Architekt.«
»Sucht einen Jüngeren!«
»Lasst uns nicht die letzten Lebensjahre dieses verdienstvollen Mannes verdüstern und ihn vielleicht noch vorzeitig ins Grab bringen.«
»Fertig?«, fragte Paul III. kurz angebunden, wobei seine Augen aber in diebischem Vergnügen strahlten. »Ich bin es nämlich auch. Michelangelo wird zum alleinigen leitenden Architekten der Fabbrica di San Pietro ernannt. Wollt Ihr Uns in den Palast begleiten?«, fragte er lächelnd den Kardinal Morone, der zum Zeichen seiner Zustimmung nickte. Papst und Kardinal verließen den Saal. Der
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