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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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er selbst geschaffen hatte. Aus einer unerklärlichen Sentimentalität heraus wählte er im Gedenken an Alessandro Farnese, den Gefährten aus den Tagen der Archiconfraternita , den Papstnamen Paul IV.
    Die Nachricht erreichte Michelangelo auf der Baustelle, wo ihm Ascanio schilderte, was sich ereignet hatte. Nach dem Tod der Vittoria Colonna war Ascanio in Michelangelos Dienste getreten. Seinen Lohn erhielt er von Freunden Michelangelos, die wussten, wie gefährdet das Leben des Architekten war. Atemlos berichtete der alte Fechter ihm, dass Giovanni Kardinal Morone von der Römischen Inquisition gefangen genommen und in den tiefsten Kerker der Engelsburg mit Namen Morocco geworfen worden war. Michelangelo zitterte am ganzen Leib. Er ließ sich nach Hause geleiten und legte sich, von Fieberanfällen geschüttelt, auf sein Lager. Wenn er nicht vor Erschöpfung schlief, betete er. Nun war niemand mehr sicher.
    Kurze Zeit später, als sich Michelangelo gerade wieder erholt hatte, kürzte ihm Paul IV. in beleidigender Weise die Bezüge, um ihm zu zeigen, was er von ihm hielt. Mehr geschah jedoch nicht. Bei allem Widerwillen, den Carafa gegen Michelangelo empfand, sagte ihm offensichtlich ein Rest von Vernunft, dass jener der Einzige war, der den Petersdom fertigstellen konnte. Und das Ärgernis der ewigen Baustelle musste so schnell als möglich beseitigt werden, denn sie blieb ein Quell von Ungemach.
    Als Michelangelo wieder einen Baumeister gefunden hatte, dem er vertraute, wurden die Arbeiten an der Halbschale der Apsis durch Intrigen derart unsachgemäß ausgeführt, dass alles wieder abgebrochen werden musste. Für den Architekten war das eine Katastrophe – es warf ihn um ein Jahr zurück. Und in seinem Alter – er zählte inzwischen zweiundachtzig Jahre – wog ein Jahr für zehn Jahre. Es wurde ihm alles viel zu viel, doch Michelangelo konnte nicht von dieser Arbeit lassen. Der Bau an Sankt Peter war ihm inzwischen zum Gottesdienst geworden, und die Kuppel des Himmels zu errichten, verstand er als ein Werk der Liebe. Selbst als Paul IV. ihm ausrichten ließ, er ertrage die vielen Nackten, die Genitale der Heiligen in der Sixtina nicht länger, nahm der Künstler die Demütigung hin und bat seinen Freund und Gehilfen Daniele da Volterra, die anstößigen Stellen so zu übermalen, als seien sie mit Stoff bedeckt. Daniele kam Michelangelos Bitte mit blutendem Herzen nach und wurde dafür schon bald als »Höschenmaler« verschrien. Aber wie hatte Michelangelo zu ihm gesagt? »Daniele, mein Sohn, es ist besser, wir machen es selbst, als wenn jemand daran herumpfuscht, der unsere Kunst hasst.«
    Jeden Morgen, den Gott werden ließ, ob die Sonne schien, ob es regnete, ob es schneite, holte Francesco den alten Esel aus dem Stall. Michelangelo saß auf und ritt langsam los, über den Ponte Sisto und die lange Straße von Trastevere bis zum Borgo, die Flanke seiner Baustelle im Auge. So langsam, wie der Esel dahertrottete, und so müde, wie er selbst war, benötigte er eine Stunde vom Macello dei Corvi bis zum Petersdom. Aber seine Ausdauer lohnte sich. Er stellte den Südarm fertig, der Nordarm kam voran und die Grundmauern des Westarmes wuchsen. Die Sockelringe für den Tambour waren angebracht, und endlich, endlich konnte er mit dem Tambour selbst beginnen, auf den er dann die Kuppel aufmauern und wölben lassen wollte.
    An manchen Tagen kehrte Michelangelo schon nachmittags nach Hause zurück. Dann arbeitete er bis in die späten Nachtstunden an einer neuen Plastik, die ihn selbst als Nikodemus darstellte, der den toten Christus hielt, oder an einer Zeichnung. Oft las er noch in Dantes »Göttlicher Komödie« oder in der Bibel und schlief dann einen kurzen, aber bilderreichen Schlaf. Häufig träumte er davon, wie er in jugendlicher Erscheinung die Kuppel wölbte und endlich das Oculus als oberen Abschluss der sich konkav untenhin verbreitenden Kuppel setzte. Dazu las ihm die junge Contessina Dantes Worte aus dem »Paradies« vor:
    »So mahnt mich mein Gedächtnis dran, dass ich
    das gleich tat, und blickte in die Augen,
    aus denen Amor mir die Schlinge drehte.
    Als ich mich wandte, traf die meinen schon
    das alles, was in jenem Kreis erscheint,
    wenn immer man’s mit scharfem Blick betrachtet.
    Da sah ich einen Punkt, der Licht verstrahlte;
    wenn er das Auge trifft, muss es sich schließen,
    so stark erschüttert es des Glanzes Macht.
    Und welcher Stern auch hier am kleinsten scheint,
    es wäre wie ein Mond ihm

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