Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
dieser vorbringen würde. Wenn er ihn auch nicht mochte und ihm misstraute, so empfand er doch Achtung gegenüber seinem Sachverstand.
Michelangelo schüttelte den Kopf. »Es ist ganz einfach, wir müssen zu Bramantes Ideen zurückkehren und den Grundriss des neuen Domes verkleinern. Nur dann können wir ihn auch fertigstellen. Wir sparen ein Jahrzehnt und mindestens dreihunderttausend Dukaten. Kehren wir zu Messèr Donatos heiligem Entwurf zurück, zu einer Kuppel, die so schön gewölbt und so klar geführt ist, dass sie den Himmel symbolisiert. Große, klare Formen – nicht diese beängstigenden kleinteiligen Steinmassen, Steine, die immer neue Steine gebären. Im Tambour Fenster, Fenster in der Kuppel, über der Kuppel ein Oculus, Gottes Auge, die Seitenwände mit durchgehenden Pilastern verkleidet und wiederum großen Fenstern, dass Gottes Licht in seiner Schönheit und Klarheit ungehindert in sein Haus dringen kann. Und wenn es stimmt, was die Heiligen sagen, dass Gott Licht ist, dann geht es darum, dass wir ihn selbst in sein Haus bitten und ihn nicht durch kleine Löcher, die niemand, der bei Verstande ist, Fenster nennen kann, aussperren. Im Innern ein einziger großer Raum mit vier Kreuzarmen, nicht diese vielen kleinen, dunklen Kapellen, in denen die Huren unentdeckt ihr schmähliches Handwerk ausüben können. Und schließlich, was sollen diese Umgänge? Und diese Türmchen und der lächerliche Riegel vor Gottes Haus?
Das Modell verschwindet von meiner Baustelle, die Juliuskapelle wird abgerissen, und ich baue nach Donatos und meinen Vorstellungen in kleinerem Maßstab die Kirche. Wer auf meiner Baustelle arbeitet, bleibt mir überlassen. Niemand hat mir in künstlerischen Fragen hereinzureden. Die Baukommission ist einzig und allein dazu da, das Geld zu beschaffen, das ich benötige«, schloss Michelangelo atemlos. »Das sind meine Forderungen, wenn ich die Verantwortung übernehmen und Gottes Haus zu Ende bauen soll!«
Gian Pietro Carafa gestand sich widerwillig ein, dass die Forderungen und Vorstellungen des Künstlers kühn, aber nicht von der Hand zu weisen waren.
»So wie es Michelangelo gesagt hat, soll es sein«, entschied Paul III. mit einem freundlichen Lächeln. »Wir werden es in einem Motu Proprio festhalten für jetzt und alle Zeit. Eines kommt aber noch hinzu: Michelangelo ist für auftretende Schäden rechtlich nicht haftbar zu machen!« Mit diesem Zusatz schob der Papst jeder Möglichkeit, dem Künstler durch Anschläge zu schaden, einen Riegel vor.
»Und du, Arnoldo di Maffeo, bist entlassen. Nimm deine Leute und geh!«, sagte Michelangelo ruhig. Für ihn war der Ausgang dieser Audienz kein Triumph, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Michelangelo hatte alles erreicht, was er wollte, dennoch führte er weiter auf der Baustelle einen Kleinkrieg gegen die offenen und versteckten Anhänger von Antonio da Sangallo und Arnoldo di Maffeo. Zwar gab es einen Baumeister, dem er vertraute, doch dieser wurde gefangen gesetzt, weil er einen Wirt erschlagen hatte, mit dessen Frau er ein Verhältnis unterhielt. Während sich Michelangelo nach einem neuen Vertrauten umsah, wurde er das Gefühl nicht los, dass jenes verhängnisvolle Eifersuchtsdrama von Arnoldo eingefädelt worden war.
Rom, Anno Domini 1549
Und dann kam der Tag, an dem Paul III. starb. Es war der 10. November. Noch als Kardinal hatte Alessandro Farnese mit seiner Geliebten Silvia Ruffini eine Tochter und zwei Söhne gezeugt, die er als Papst legitimieren ließ, damit die Farnese nicht ausstarben. Zunächst war Michelangelo guter Dinge, weil es so aussah, als würde Reginald Pole, den Paul III. auf seinem Totenbett ausdrücklich empfohlen hatte, seine Nachfolge antreten. Ihm fehlten noch zwei Stimmen. Vor dem entscheidenden Wahlgang aber präsentierte Gian Pietro Carafa dem Kardinalskollegium Akten, die angeblich bewiesen, das Reginald Pole in seiner Residenz in Viterbo nicht nur Ketzer beschützte, sondern auch selbst einer war, ein verkappter Lutheraner. Man einigte sich schließlich auf Giovanni Maria Ciocchi del Monte, einen Verwaltungsfachmann, der als Julius III. den Papstthron bestieg und Wachs in Carafas Händen war. Nach dessen Tod 1555 – und einem kurzen Zwischenauftritt von Marcellus II. –wurde Gian Pietro Carafa dann selbst zum Stellvertreter Christi gewählt. Nun konnte er frei und ohne Rücksichten zu nehmen die Ketzer verfolgen. Er regierte nicht mit dem Kardinalskollegium, sondern mit der Inquisition, die
Weitere Kostenlose Bücher