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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Unfassbare, unfähig, sich davon zu lösen.
    Dieser junge Mann sah voraus, was ihn erwartete, er war ganz von der Angst erfasst, wie Michelangelo selbst, da es ans Sterben ging. Vasari wusste, wer dieser Junge war. Francesco hatte ihm erzählt, was sich einst in den Steinbrüchen von Carrara abgespielt hatte. Genauso hatte der Junge, in Reue erstarrt, auf einem Felsvorsprung gestanden, bevor ihn ein anderer Bursche, im gleichen Alter und vormals sein bester Freund, aus Rache für seine geschändete Schwester getötet hatte.
    Konnten die Menschen denn nicht leben, ohne schuldig zu werden?, dachte Vasari. Ein ewiger Kreislauf von Verbrechen und Strafen, von der ersten Sünde, der Erbsünde, in Gang gesetzt. Und nur Gnade, sagten die Ketzer und sagte auch Michelangelo, konnte den Menschen aus dem ewigen Reigen des Verbrechens erlösen. Keine Verdienste, keine Werke, nur Gnade allein. Wie konnte Vasari anders, als seinem Meister zu antworten: »Ich werde tun, was in meiner Macht steht«?
    »Mehr, tu mehr! Wenn du mich je geliebt hast, Giorgino …«, flehte Michelangelo und hielt Vasaris Hand umklammert. Mitten im Satz verstummte er, sein Griff lockerte sich, und seine Augen richteten sich auf einen Punkt hinter Vasari. Dieser wandte sich um und entdeckte auf dem Fenstersims einen kleinen Vogel. Unaufhaltsam atmete Michelangelo das Leben aus. Als sich seine Lippen bewegten, beugte sich Vasari zu ihm und hielt sein Ohr ganz nah an den Mund des Meisters.
    »Gib mir ein Blatt Papier, Giorgino, rasch, und einen Stift«, flüsterte Michelangelo. »Ich will die Unschuld malen. Bei keinem Menschen, nicht einmal bei der Jungfrau Maria oder bei unserem Herrn …« Er stöhnte auf. Dann fuhr er leise und stockend fort: »Nicht einmal bei Gott ist es mir gelungen, den Ausdruck der Unschuld zu treffen, obwohl ich es so oft versucht habe. In Colonnata hätte es gelingen können … die Tochter von Fritz il Rosso … sie wollte nicht. Aber sie war die Unschuld, eine befleckte vielleicht, aber rein … Beeil dich, ich kann es … das erste Mal in meinem Leben …« Der Vogel am Fenster flatterte plötzlich auf. »Stell die Kirche fertig … mit der Kuppel des Himmels, dann wird meine Seele Ruhe finden …« Michelangelo zog seine Hand aus der Vasaris. Dann ballte er seine Hände zu Fäusten, und seine Miene zeigte noch einmal eine schmerzliche Anspannung. Tränen rannen über sein faltiges Gesicht, das in der Furcht geradezu kindlich wirkte. Er sah aus wie ein Knabe, der Angst hat vor der finsteren Hölle oder dem dunklen Keller oder einem großen Hund. »Verzeih mir! Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa , verzeih deinem armseligen Knecht!«, rief er mit letzter Kraft. Dann war er tot, der Meister war tot. Man schrieb den 18. Februar 1564.
    Vasari wusste nicht, wie lange er wie betäubt am Bett des Göttlichen verharrt hatte. Für ihn hatte Michelangelos große Seele sich Gott empfohlen und auf Erden nur Finsternis hinterlassen. Ob ihn Dante am Himmelstor empfangen und freundlich zu ihm sagen würde: »Komm Michelangelo, komm, mein Lieber, der Herr erwartet dich. Es ist Zeit heimzukommen!« Zu gern wollte Vasari das glauben. Wenn Michelangelo keine Gnade fände, dann niemand, dann waren alle verdammt.
    Hinter sich hörte er das Klirren von zerbrechendem Glas. Als er sich umwandte, sah er Francesco, der reglos auf seinen Herrn starrte. Sein ganzes Leben hatte er mit ihm verbracht, seit er ihn über fünfzig Jahre zuvor als Jüngling um Aufnahme gebeten hatte. Der Korb mit den Arzneien war dem Diener zu Boden geglitten, und die Phiolen und Gläser lagen teils zerbrochen, teils noch heil zu seinen Füßen. Stärkende Flüssigkeiten, die dem Göttlichen die Lebenskraft hatten zurückgeben sollen, sickerten in den schmutzigen Fußboden.
    »Zu spät, Francesco«, sagte Vasari. »Aber tröste dich, es war schon zu spät, als du losgegangen bist.«
    Vasari und Francesco knieten am Sterbebett des Künstlers, als Daniele da Volterra mit Giovanni Kardinal Morone zurückkehrte.
    »Lasst mich mit ihm allein. Ich will ihm den letzten Segen erteilen, obwohl er ihn nicht nötig hat, denn er ist in der Gnade«, sagte der Kardinal. Die Männer verließen das Zimmer, während der Kirchenfürst zu beten begann.
    Giorgio Vasari, Daniele und Francesco begaben sich in die Küche. Dort knieten sie nieder und beteten lange für ihren Herrn und Meister. Bis zur Erschöpfung beteten sie und sangen Psalmen. Nach einer Weile fand sich der Kardinal ein und kurz

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