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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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seht zu, dass Ihr aus meinem Haus verschwindet! Und lasst Euch nicht einfallen, Euch hier noch einmal blicken zu lassen!«
    Damit ließ sie ihn stehen. Sangallo zuckte bedauernd mit den Schultern, als wollte er sagen, ich habe versucht, dich zurückzuhalten. Aber gegen Petronilla konnte niemand etwas ausrichten. Sie war die Fürstin im eigenen Palazzo. Selbst Kardinäle fügten sich ihrer Entscheidung.
    Michelangelo drehte sich auf dem Absatz um und stürmte die Treppen hinunter. Was hatte er hier zu suchen gehabt?, schalt er sich. Es geschah ihm recht. Wie konnte er nur die wenige Zeit, die Gott ihm schenkte, an diesen Ort der Eitelkeit verschwenden? Seit langer Zeit war er im tiefsten Inneren davon überzeugt, dass er sich im Leben beeilen musste, weil er kein hohes Alter erreichen würde. Bald, in nicht allzu ferner Zukunft schon, würde ihn der Tod holen. Bei seiner schwachen Gesundheit wäre es ohnehin ein Wunder, wenn er die vierzig erreichen sollte. Mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge trat er auf die Straße hinaus und lenkte seine Schritte mitten hinein in die Finsternis.
    Er hatte gerade die gegenüberliegende Straßenseite erreicht, als er hinter sich eine Stimme vernahm: »Wartet, Messèr Michelangelo, wartet!« Er blieb stehen und wandte sich um.
    Er kannte die Stimme – sie gehörte dem jungen, heiseren Tenor, der nun in der Kühle der Nacht allein vor dem von Fackeln erleuchteten Palazzo der Petronilla stand. Über einem Paar trostloser Augen wies eine kräftige Nase auf einen kleinen Mund mit verhältnismäßig vollen Lippen. Die Wangen glühten, entweder hatte er getrunken oder fieberte oder hatte sie nur geschminkt, wie es die Lustknaben gern taten.
    »Nehmt mich mit. Ich will Euch auch nicht zur Last fallen, sondern ehrlich dienen.«
    »Warum mir?«
    »Ich weiß es nicht. Mein Genius sagt es mir.«
    Michelangelo musterte ihn spöttisch. »Soso, dein Genius. Und hat dir dein Genius auch gesagt, dass es bei mir nichts zu holen gibt außer Hungerbeulen und Schwielen?«
    »Ich habe Eure Pietà gesehen.«
    »Schmeichle mir nicht, du Schuft!«
    »Ich will kein Geld! Nehmt mich auf, ernährt mich, und Ihr sollt es nicht bereuen!«
    Michelangelo dachte nach, wurde aber nicht schlau aus dem hübschen Kerl. »Wie heißt du?«
    »Man nennt mich das Französlein, wegen der schlimmen Krankheit, die ich überstanden habe.«
    »Und wie soll ich dich nennen?«
    »Französlein.«
    »Also gut, Francesco, aber warum?«
    »Weil ich immer daran erinnert werden möchte, dass Gott mir die Franzosenkrankheit gesandt hat, damit ich dem unsittlichen Lebenswandel entsage!«
    »Und was verhalf dir zu dieser Einsicht?«
    »Eure Pietà eben, Maestro!«
    Michelangelo fuhr zusammen, schlug die Augen nieder und dachte einen Moment lang nach. Wenn es stimmte, was der Junge sagte, dann hatte dieser ihm etwas voraus – er hatte zumindest sein Leben geändert. Darüber durfte er nicht gleichgültig hinweggehen.
    »Komm«, sagte Michelangelo knapp, drehte sich um und schritt die Straße entlang. Ein wenig wunderte er sich doch über sich selbst. Es war nur allzu wahrscheinlich, dass hier ein durchtriebener Kerl ihm einen gewaltigen Bären aufband und seinen Schabernack mit ihm trieb. Andererseits, was riskierte er schon? Einen Diener konnte er in der Tat gebrauchen.
    Rasch eilte der junge Mann ihm nach und schwieg für den Rest des Weges.

14

    Rom, Anno Domini 1505
    Die Aprilsonne brannte auf Rom nieder wie das Feuer des Leibhaftigen in der Hölle. Wie sollte da erst der Sommer werden, wenn schon der Frühling mit solch mörderischen Temperaturen aufwartete? Man hatte die Fensterläden geschlossen, um die Hitze aus dem Saal fernzuhalten. So blieb es erträglich, wenngleich der Schatten, der wie eine Schicht gerupfter grauer Daunen über allem lag, bei vielen der Anwesenden eine gewisse Schläfrigkeit weckte, die von den zwar leidenschaftlich vorgetragenen, aber langatmigen Ausführungen des Architekten Frà Giovanni Giocondo noch befördert wurde.
    Selbst der Kardinal Catalano kämpfte mit der Müdigkeit. Dabei war er es gewesen, der den Ordensbruder und berühmten Architekten, der gerade als Baumeister der Kathedrale Notre-Dame de Paris im Dienste des Königs von Frankreich stand, gedrängt hatte nach Rom zu kommen, um den Bauzustand des Petersdomes zu untersuchen.
    Ebenso eindringlich wie ausführlich legte der hochgewachsene, feingliedrige Architektenmönch mit den aristokratischen Gesichtszügen der Kommission seine

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