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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Erkenntnisse dar. Die Kommission bestand aus Bauunternehmern wie Baccio di Biggi und den Klerikern der Fabbrica di San Pietro . Laut Frà Giocondo war der Petersdom eigentlich eine Ruine, die dringend der Erneuerung bedurfte, wenn sie nicht einstürzen sollte.
    »Nicht mehr lange«, rief er mit vor Empörung bebender Stimme, »und es wird über den Altar Petri hereinregnen. Und wenn das Wasser erst seinen Weg gefunden hat, wird es nicht mehr lange dauern, bis die aus dem Lot geratenen Wände bröckeln. Es ist eine Schande! Die Gläubigen können sich nur noch auf den Schutz Gottes, nicht mehr auf die Sicherheit des Bauwerks verlassen.«
    Er hatte kaum geendet, als ein Priester des Domes, von seiner Mozetta umflattert, atemlos in den Beratungssaal stürzte.
    »Schnell, kommt mit mir, Eminenz, ein Unglück, ein furchtbares Unglück!«
    Der Mann war bleich, und der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. Kardinal Catalano erhob sich und folgte dem Priester; die anderen Anwesenden schlossen sich den beiden an. Bereits im Vorhof mussten sie sich durch eine Ansammlung von Menschen kämpfen. Giacomo, der auch als Kardinal seine schlichte Dominikanerkutte trug, stieß jeden, der ihm den Weg versperrte, unsanft zur Seite.
    In der Mitte des Hofes hatte sich ein Kreis aus heftig diskutierenden Menschen gebildet. Giacomo fuhr zusammen, als sein Blick auf einen dürren Mann unbestimmbaren Alters fiel, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war. Der schmutzige Kerl war auf seinen geliebten Pinienapfel gestiegen! Die nach oben verdrehten braunen Augen des Mannes glänzten, und obwohl seine Stimme wie Ziegengemecker klang, besaß sie doch eine Eindringlichkeit, die die vielen Menschen zwang, ihr zu lauschen.
    »Deshalb rufe ich, ihr Großen, Papst, du, und ihr Kardinäle, kehrt um, kehrt um, und tut Buße«, ereiferte sich der Mann. »Verachtet die Bilder aus Farben und Stein. Lasst ab von der Fleischeslust. Seid arm wie Christus. Sonst wird der ganze Dom ebenso über euren Häuptern zusammenbrechen wie heute die Kapelle! Ein Riss wird vom Dach aus durch die Mauern, durch die Fußböden, durch die ganze Erde gehen und sie spalten. Und aus dem Abgrund werden die Würgeengel des Teufels klettern, um euch zu schlagen, zu stäupen, zu vierteilen. Und es wird kein Frieden sein, und herfallen werden die Menschen übereinander. Ein jeder wird sich auf Gott berufen, aber den Teufel im Herzen haben. Und es wird keine Ruhe und keinen Frieden mehr geben. Söhne werden ihre Väter erschlagen und bei ihren Müttern liegen. Mütter werden ihre Kinder fressen und ihre Liebhaber säugen …«
    Angewidert wandte sich Giacomo ab. Ein verrückter Volksprediger – von dieser Sorte gab es mehr als genug. Sie zogen durch ganz Italien und redeten sich in Trance. Und den Unfug, der aus ihren Mündern quoll, hielten sie selbst und viele ihrer Zuhörer für Prophezeiungen. Hin und wieder konnte man einen dieser schmutzigen Wanderprediger verbrennen, wenn er zu weit gegangen war. Doch das schaffte nur wenig Abhilfe, denn schon bald nahm ein anderer, der sich berufen fühlte, seine Stelle ein. Giacomo nahm ihre ganze zur Schau gestellte Frömmigkeit für verquere Eitelkeit und empfand die Wanderprediger als Landplage. Sobald sich die Menge verlaufen hätte, würde er Anweisung geben, den Mann zu ergreifen und nach einer ordentlichen Tracht Prügel unter Androhung des Todes der Stadt zu verweisen.
    Rasch wandte er seine Schritte zum Dom und stand bald darauf im linken Seitenschiff vor der Gregorkapelle. Dies war nicht nur die letzte Ruhestätte seines Freundes Francesco Todeschini Piccolomini, Papst Pius III., sowie dessen Onkel Pius II. Hier befand sich im Hauptaltar auch der Tabernakel mit dem Haupt des heiligen Andreas.
    Das Deckengewölbe, aus dem sich offensichtlich der Schlussstein gelöst hatte, war eingestürzt und hatte einige Pilger unter seiner steinernen Last begraben. Bestürzt blickte der Kardinal auf den Haufen Schutt und Steine, aus dem staubige Arme, Beine, Füße und Köpfe herausragten. Selbst das ausströmende Blut war von einer Staubschicht bedeckt. Der ätzende Geruch trockenen Mörtels drang in seine Nase und reizte ihn zum Niesen.
    Giacomo sank auf die Knie und begann, laut zu beten. Er konnte nicht mehr tun, denn es waren genügend Helfer am Werk, die sich mühten, die Unglücklichen zu bergen. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung, dass einige von ihnen überlebt hatten. Er sprach eine beeindruckende Fürbitte, in die immer

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