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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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die doch nicht nur jede Zusammenkunft veredeln, sondern auch die Männer?«
    So ist das also, dachte Michelangelo. In Florenz suchten die verheirateten Männer Abwechslung, in Rom sehnten sich die Kleriker nach einer Art Ersatzfamilie. In der Arnostadt hofften die Männer, die mit gebildeten Frauen vermählt waren, auf die Erfüllung ihrer sexuellen Fantasien außerhalb ihrer Paläste und Häuser, am Tiber hingegen interessierten sich die reichen Männer für gebildete Gesprächspartnerinnen, die selbstredend auch für die Bemühungen der körperlichen Liebe zur Verfügung standen.
    »Natürlich gibt es in Rom auch gewöhnliche Liebesnester – für die Männer aus dem Volk. Aber die kommen ja für uns nicht infrage. Hier, mein junger Freund, erholen wir uns und befriedigen unsere Bedürfnisse. Hier plaudern wir, schließen Allianzen, machen Politik und akquirieren Aufträge. Wer nicht in den Häusern der großen Kurtisanen willkommen ist, der ist in Rom nicht gelitten.« Sangallos Worte bestätigten nur das, was sich Michelangelos Augen ohnehin in reichlichem Maß darbot.
    Kostbare Tapeten schmückten die Wände der unterschiedlich großen Säle im piano nobile . In die oberen Gemächer gelangte man über eine einladende Freitreppe. Michelangelo dachte an die kleinen Verschläge, in denen er im Gestank nach ranzigem Schweiß und gestocktem Samen die Zeichnungen für Giovanni de Medici angefertigt hatte.
    In einem Florentiner Bordell ging es zu wie auf dem mer-cato vecchio : Nur das Geschäft zählte, bei Bezahlung erhielt man die Ware. Seit man den Adel vor über hundert Jahren aus der Stadt vertrieben hatte, war Florenz eine Stadt der Bürger, vor allem der Kaufleute geworden. Längst hatte die Bilanz den Stil ersetzt. In diesem Moment begriff Michelangelo, dass Piero de Medici nicht den Hauch einer Chance gehabt hatte, und leistete ihm innerlich Abbitte. Er hatte ausbaden müssen, was sein Vater, Lorenzo il Magnifico, der Stadt vergeblich aufzuzwingen versucht hatte – Stil und Größe. Einer Kaufmannsstadt!
    Zwei elfenhafte Wesen, die ihn und den Architekten fröhlich in Empfang nahmen, hinderten ihn daran, in seinem Zorn über die unglücklichen Verhältnisse seiner Vaterstadt zu versinken.
    »Ah, Messèr Giuliano«, gurrte eines der Mädchen. »Wen bringt Ihr uns da mit?«
    »Einen Gott in Menschengestalt«, lachte Sangallo.
    »Amor?«, fragte die andere und spitzte die Lippen wie zu einem Kuss.
    Diese Dienerinnen der Venus kannten sich im Gegensatz zu ihren florentinischen Kolleginnen in der Mythologie aus, stellte Michelangelo fest. Angenehm überrascht war er auch darüber, dass sie es unterließen, ihre Gäste zur Begrüßung ans Gemächt zu fassen. Die Huren in Florenz taten das regelmäßig, um ihren Kunden zu versichern, dass sie die Sache im sprichwörtlichen Griff hatten.
    Michelangelo fühlte sich von all den reizvollen Eindrücken wohlig berauscht und beschloss, sich einfach treiben zu lassen. Armer Piero, dachte er noch einmal, das hast du niemals erlebt. Armseliges Florenz!
    Mit ihren reizenden Begleiterinnen betraten die beiden Männer den ersten Saal des piano nobile. Schöne, vornehm gekleidete Frauen lehnten in gedrechselten und mit kostbaren Stoffen bezogenen Sesseln und plauderten galant mit Männern jeglichen Alters. Überall wurde gelacht, gescherzt und kokettiert. Das Kerzenlicht spiegelte sich in den tulpenförmigen Weingläsern, die aus geschwungenen Karaffen eifrig nachgefüllt wurden. An den Wänden der Säle hingen kunstvoll gewirkte Teppiche. Darunter reihten sich lange, blumengeschmückte Tische, auf denen alle erdenklichen Köstlichkeiten auf die Genießer warteten. Zwischen Platten mit Fleisch, Fisch und Geflügel, gebraten oder gesotten, standen Salzfässer und Gewürzschälchen, silberne Schalen mit allerlei Gemüse und Körbe mit Obst oder geröstetem Brot und goldene Teller mit Marzipan und Datteln. Nein, niemand konnte hier auf den Gedanken kommen, er befände sich in einem Bordell.
    Unter das Gewisper und Gelächter, das die Eskorte geistvoller Unterhaltungen bildete, mischten sich die Klänge von Lauten und Flöten. Eben sang ein hübscher junger Mann mit heiserem Tenor ein Lied von Liebe und Sehnsucht:
    »Vergangene Nacht war mir der Schlaf genommen:
    Der Tag wurde tausend Jahre lang nicht licht,
    bis endlich mit den Tieren ich könnt kommen
    zu dir und deinem edlen Angesicht …«
    Freudig überrascht stieß Michelangelo Sangallo an: »Ein Gruß aus der Heimat«, sagte

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