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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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zweite Haut«, sagte er beifällig. »Ziegenleder.«
    Er nahm einen schweren, kunstvoll geschliffenen Beryll, um die Schrift zu vergrößern, und begann mit der Entzifferung der Miniatur. Er schrieb Wörter auf ein Stück Papier, strich sie durch, notierte andere Wörter oder verbesserte sie. Bramante war kaum in der Lage, seine Unruhe zu zügeln, und stapfte hin und her. Ab und zu zog Bonet Bücher zurate, trommelte beim Nachdenken mit dem Mittelfinger auf die Tischplatte und vertiefte sich erneut in den Text. Die Zeit dehnte sich, und Bramante fühlte sich von der Neugier wie auf eine Streckbank geflochten. Es kam ihm vor, als habe der Jude ihn vergessen.
    Nach einer halben Ewigkeit faltete Bonet das Pergamentchen endlich wieder sorgsam zusammen, legte es in den Ring zurück, verschloss diesen und reichte ihn Bramante.
    »Verzeiht, aber ich werde nicht recht schlau aus dem, was da steht«, sagte er. Der Architekt spürte, wie ihn die Enttäuschung übermannte. »Verfasst ist die Botschaft in Arabisch«, fuhr Bonet fort, »so viel ist sicher. Ich kann es zwar übersetzen, aber ich verstehe es nicht.«
    »Wie, Ihr versteht es nicht?«
    »Das heißt, dass der Sinn dieser Worte mir verschlossen bleibt.«
    »Was steht denn nun da?«, fragte Bramante ungeduldig.
    »Etwa das.« Der Gelehrte nahm das Blatt und las im fragenden Tonfall vor: »Betrachte durch mich den Kosmos, wie er vor deinen Augen – man könnte es auch übersetzen mit: den Fenstern deiner Seele – liegt, und begreife genau seine Schönheit: Er ist ein unversehrter Körper, und nichts wird je älter sein als er, und dennoch steht er in allem in der Blüte seiner Kraft, ist jung und blüht über und über. Sieh auch die liegenden sieben Welten, deren Ordnung in ewig gültiger Weise geregelt ist und die in ihrem unterschiedlichen Lauf den Äon ausmachen; alles … ist nun voller Licht geworden, das von oben eine Leuchtkraft bekommt von der Wirkkraft Gottes, des Erzeugers von allem Guten und aller Ordnung der sieben … Welten oder Ordnungen, vielleicht auch Äonen, nehme ich an.«
    »Könnt Ihr mir das geben?«, fragte Bramante und wies auf die Notizen des Gelehrten. Ohne darauf zu antworten, nahm Bonet ein neues Blatt Papier und schrieb seine Krakel noch einmal leserlich ab. Dann reichte er es Bramante, der es faltete und in der Tasche seines Wamses verschwinden ließ.
    »Was bedeutet das alles?«, fragte der Architekt kopfschüttelnd.
    »Wie gesagt, ich weiß es nicht. Wirklich nicht. So viel aber ist sicher: Es klingt nach einem alten Text, den ich aber nicht kenne.«
    »Aus der Kabbala?« Bramante kannte das Buch über die Weltgeheimnisse nicht, doch er hatte durch Pico von dem Werk erfahren. Er brachte den Titel zur Sprache, wie man einen Stein ins Wasser schleudert, um zu sehen, welche Wellen er schlägt.
    »Nein! Keinesfalls!«, wehrte Bonet entschieden ab. »Der Text stammt nicht aus dem Umkreis der Kabbala. Vielleicht von frühen christlichen Ketzern? Gnostikern? Mani? Valentinus? Bedaure, die Irrtümer der Christen sind nicht mein Fach!«
    »Ungewöhnlich für einen Juden, oder?«
    »Beunruhigend ungewöhnlich, mon ami! Ring und Pergament gehören irgendwie nicht zusammen. Aber wer weiß das schon. Jesus war ja auch ein Jude und dann dies …«
    Mit »dies« meinte er vermutlich das Christentum, dachte Bramante leicht belustigt. Doch der Rabbiner verzichtete darauf, seinen gefährlichen Gedanken, den die Kirche als Frevel auffassen konnte, zu Ende zu führen.
    Bramante griff nach einem Blatt Papier, zeichnete darauf mit der Feder den Ring in vier Ansichten und reichte es dem Gelehrten. »Könntet Ihr dennoch in den jüdischen Gemeinden Erkundigungen einziehen, ob jemand den Ring kennt?«
    Bonet sah ihn abweisend an.
    »Bitte!«
    Es war zu sehen, wie der Rabbiner mit sich rang.
    »Für den Princeps Concordiae, der Eurem Volk eine so große Ehrerbietung entgegenbrachte! Sein Tod darf nicht ungesühnt bleiben. Heißt es nicht bei Mose: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹?«
    »Es heißt bei Mose aber auch: ›Du sollst nicht töten‹, und der Herr spricht: ›Mein ist die Rache, ich will vergelten …‹«, sagte Bonet de Lates. Dann unterbrach er sich und willigte ein: »Also gut. Aber es kann dauern.« Widerwillig nahm er die Zeichnung entgegen.
    Ein erleichtertes Lächeln flog über Bramantes Gesicht. Dann zog er das Buch hervor und legte es auf den Tisch. »Ich habe da noch etwas. Leider auch sehr geheimnisvoll.«
    Der Anblick der Titelseite

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