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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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amüsierte den Juden. »Dantes ›Göttliche Komödie‹, vom guten Landino kommentiert. Was ist daran geheimnisvoll, mal abgesehen davon, dass die Dichtung voller Mysterien steckt?«
    »Schaut Euch den hinteren Teil an. Ein zweites Buch wurde mit in den Einband gebunden!«
    Bonet blätterte und warf einen neugierigen Blick auf die Handschrift. So rasch sein Interesse aufgeflammt war, erlosch es auch schon wieder.
    »Verschlossen ist das nur für den, der nicht lesen kann. Das ist einer der vielen Kommentare zur Kabbala. Nichts Besonderes«, sagte er gelangweilt, ja fast beleidigt.
    Bramante schlug eilig die Seite auf, auf der sich die Zeichnung mit den vielen Kreisen, Linien und Worten befand und hielt das Buch dem Rabbiner unter die Nase.
    »Sieht beeindruckend aus, wenn man kein Hebräisch versteht, nicht wahr?«, sagte Bonet und grinste spöttisch. »Das ist der Etz Chaim, der Lebensbaum der Kabbala, der uns die Wirklichkeiten der Schöpfung darstellt, wie sie im Sefer Jesira benannt sind. Eine Art Verkündigungs-, Abendmahls- und Kreuzigungsbild für Juden. Dieses Schema erklärt das Dasein und den Weg der Schöpfung. Was Ihr hier seht, sind die Pforten des Lichts.«
    »Aha«, meinte Bramante trocken. Dann zeigte er fragend auf die drei Säulen, die scheinbar die Basis oder das Fundament der Schöpfung darstellten.
    »Rechts und links des salomonischen Tempels und als Basis des Lebensbaumes stehen die beiden Säulen Jachin und Boas. Boas bedeutet: In Gott ist Stärke, und Jachin verheißt ›die Milde‹. Das heißt, Gott wird die Säulen der Barmherzigkeit aufrichten. Sie stehen ganz in der Welt des Handelns, der Assia.«
    »Und was bedeutet dieser Kreis hier inmitten der Vierung?«
    »Was Ihr Vierung nennt, symbolisiert die vier Erzengel.«
    »Aber was ist das in der Mitte?«
    »Die Schönheit.«
    »Die Schönheit?«
    »Ja. Oder der Stellvertreter.«
    Bramante wurde blass. »In der Mitte ist der Stellvertreter?«
    »Ja. Er gehört ganz der Welt der Kreation an, der Briah.«
    »Seid Ihr sicher? Seid Ihr wirklich sicher, dass in der Mitte der Stellvertreter steht?« Bramante wollte den Rabbiner schon bei den Schultern packen und durchschütteln, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
    »Nichts ist gewisser als dies.«
    »Nichts ist gewisser als dies«, wiederholte Bramante nachdenklich und starrte wieder auf die Illustration. »Und die Säulen hier gehören zum Tempel des Königs Salomo, den Hiram errichtet hat? Jachin und Boas?«
    »Natürlich, was sonst.«
    »Dann kann man den Lebensbaum also auch als Grundriss des perfekten Tempels deuten?«
    Bonet verstand offensichtlich die Begeisterung des Architekten nicht, zumal er nach alter Tradition in Worten und nicht in Bildern, in Gebäuden aus Buchstaben und nicht aus Stein und Zement dachte. Er zuckte nur mit den Schultern. »Ihr könnt es halten, wofür Ihr wollt.«
    Bramante kümmerte sich nicht mehr um den Juden. Er konnte es mit jeder Faser seines Körpers fühlen: Vor ihm lag der göttliche Bauplan – das, was die Fedeli d’Amore , allen voran Pico, immer gesucht hatten. Er wunderte sich, mehr noch, er vermochte es kaum zu fassen! Gott war ein Schalk. Das Geheimnis lag so unverschämt offen da, so vor aller Augen, und doch hatte es keiner vor ihm entdeckt. Nicht einmal Pico, der das Buch besessen und gewiss auch studiert hatte – aber der Philosoph hatte nicht den Blick des Architekten.
    Alles passte zusammen! Bramante war, als gäbe der Boden unter ihm nach. Vor ihm lag der Grundriss des perfekten Bauwerks, Gottes Architekturzeichnung, nach der jener biblische Baumeister namens Hiram im Auftrag des Königs Salomo den Tempel zu Jerusalem errichtet hatte.
    Geistlich stammten alle Religionen aus dem Alten Testament: das Judentum, das Christentum, der Islam. So hatte es Pico ihn gelehrt und daraus geschlossen, dass die Offenbarungen aller Religionen grundsätzlich den gleichen Wahrheitswert besäßen. Für die Architektur bedeutete das aber, dass alle Kirchenbauten aller Religionen sich von diesem Tempel ableiteten, ohne dass irgendeine Kirche, eine Moschee oder Synagoge die Perfektion des salomonischen Tempels zu erreichen vermochte. Das Wissen über das perfekte Bauen war versteckt und verborgen worden.
    Die Templer waren es, auch das hatte Bramante von Pico erfahren, die dieses mystische Wissen vom Kreuzzug mit ins Abendland gebracht hatten. Nach der Vernichtung des Ordens der Mönchskrieger gelang es den Fedeli d’Amore, das Wissen zu bewahren –

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