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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Bedrückt starrte sie auf die schwarze Brühe hinab, nahm noch einen Schluck, und da dieser nicht schmackhafter war als der erste, ließ sie den Rest stehen, nickte Moll King noch einmal kurz zu und trat dann auf die belebte Straße hinaus. Sie bemerkte nicht, dass einer der Gäste, der sie bereits eine Weile beobachtet hatte, geschmeidig von der Bank rutschte und ihr nach draußen folgte. Als sie ein paar Schritte über die Piazza gegangen war, spürte sie, wie sich jemand an ihr vorbeidrängte, dachte sich aber nichts dabei. Im nächsten Moment sprang ein Mann wie aus dem Nichts auf einen jungen Burschen zu und packte ihn am Schlawittchen.
    »Ich dachte mir schon, dass du es auf die Geldbörse abgesehen hattest«, stieß er zynisch hervor.
    Da vermisste Kitty, die überrascht stehen geblieben war, auf einmal ihren Beutel. Der Bursche musste die Bänder von ihrem Arm abgeschnitten haben, als er sie beim Überholen gestreift hatte. Und nun erkannte sie in dem Mann, der den Beutelschneider am Kragen festhielt, den jungen Kaffeehausgast, der sich so nachlässig auf der Bank gerekelt hatte. Er nahm dem Taschendieb den Beutel ab, gab ihm noch einen groben Klaps auf den Hinterkopf und ließ ihn dann laufen.
    »Hoffentlich ist dir das eine Lehre«, rief er ihm nach.
    Mit einer galanten Bewegung zog er den Hut, verbeugte sich tief vor Kitty und reichte ihr den Beutel zurück.
    »Erlaubt, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Daniel Gascoyne. Zu Euren Diensten, Madam.«
    »Ich danke Euch, Sir«, erwiderte Kitty herzlich. »Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er meine Börse gestohlen hat.«
    »Ihr seid noch nicht lange in London, nicht wahr?«, meinte der junge Mann mit einem Lächeln, das die Beschämung über ihre Dummheit noch verstärkte. Er musste sie für reichlich naiv halten.
    »Ach, woran erkennt Ihr das?«, erwiderte sie ironisch, wütend auf sich selbst, weil sie bereits an ihrem ersten Tag in London von einer Falle in die nächste getappt war, und noch mehr auf ihn, weil er sie mit der Nase hineinstieß.
    »Ihr hättet in ›Tom Kings Kaffeehaus‹ den glänzenden Silberpenny nicht so offen herumzeigen sollen«, erklärte er, noch immer mitleidig lächelnd. »Wie Moll schon sagte, ist Kleingeld in London so selten, dass man an einer wohlgefüllten Börse sofort den Provinzler oder den Ausländer erkennt.«
    »Aber wie kann das sein?«, entfuhr es Kitty verständnislos. »London ist doch eine so reiche Stadt!«
    Daniel Gascoyne zuckte die Schultern. »Es heißt, der Wert des Silbers sei in den letzten Jahren so angestiegen, dass es sich für die königliche Münze nicht lohnt, Silbermünzen zu prägen. Und das Geld, das es noch aus den Regierungszeiten früherer Monarchen gibt, ist so abgenutzt, dass es nur noch die Hälfte seines Wertes besitzt. Offensichtlich gehen die Leute in der Provinz sorgsamer mit ihrem Münzgeld um. Euer Silberpenny stammt sicher noch aus der Zeit Williams und Marys.«
    Beeindruckt hatte Kitty seinen Ausführungen gelauscht. »Ihr wisst sehr viel über diese Dinge, wie es scheint«, sagte sie anerkennend und entlockte ihm damit erneut ein breites Lächeln, das sie nicht so recht zu deuten wusste.
    »In London lernt man zwangsläufig, mit dem Problem des fehlenden Münzgeldes umzugehen.«
    »Aber wie bezahlen die Leute, wenn sie einkaufen?«, fragte Kitty verwundert.
    »Einige kaufen monatelang auf Kredit und bezahlen, wenn sie ihren Lohn in Münzen von höherem Wert erhalten. Zusätzlich ist sehr viel ausländisches Geld im Umlauf, aus Frankreich, Venedig, Spanien oder Portugal.«
    »Ich muss wohl noch viel über das Leben in London lernen«, gestand Kitty.
    »Wenn Ihr mögt, gebe ich Euch gerne einige Ratschläge«, erbot sich der junge Mann. »Habt Ihr schon zu Abend gegessen, Madam? Ich würde Euch gerne einladen.«
    Einen Moment zögerte Kitty, denn das Angebot war verlockend. Daniel Gascoyne war ein gutaussehender junger Mann mit einer ausdrucksvollen Mimik und einer vorwitzigen Nase. In seinen braunen Augen tanzten fröhliche Lichter, und um seinen sinnlichen Mund schien stets ein Lächeln zu spielen. Auf seinen Wangen lag ein dunkler Schatten, der verriet, dass er sich an diesem Morgen nicht rasiert hatte. Sein schulterlanges dunkelbraunes Haar war gepflegt, und seine Kleider waren von gutem Schnitt, auch wenn man ihnen ansah, dass sie aus zweiter Hand stammten und so manche Stickerei an Manschetten und Taschen bereits abgewetzt war. Er war schlank und überragte Kitty, die für ein

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