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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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vor sich hertrugen. Dann kam ein einzelner Reiter, der in der Haltung eines Fürsten dem Karren mit den Verurteilten vorausritt. Bei seinem Anblick presste Daniel Gascoyne unwillkürlich die Lippen zusammen. Es war der Diebesfänger Jonathan Wild, der die drei Galgenvögel eigenhändig verhaftet und vor Gericht gegen sie ausgesagt hatte. Die Prozession nach Tyburn war für ihn ein Triumphzug. Als gelte das Interesse der Menge allein ihm, winkte er den Menschen mit strahlender Miene zu und rief: »Seht, in dem Wagen sitzen meine Kinder. Jubelt, ihr Leute, auf dass sie einen leichten Tod am Galgen finden!«
    In dem besagten Leiterwagen hockten die Verurteilten mit gesenkten Köpfen auf ihren Särgen. Sie fuhren rückwärts, damit sie beim Anblick des Dreibeins nicht in Panik gerieten, doch ein jeder von ihnen wusste, was ihn erwartete. Reverend Paul Lorraine, der Ordinarius des Newgate-Gefängnisses, in schwarze Soutane und kurze Lockenperücke gekleidet, versuchte vergeblich, die Verbrecher zum Psalmensingen zu ermuntern. Eine Eskorte mit Piken Bewaffneter bildete die Nachhut.
    Die Aufmerksamkeit der Menge war nun uneingeschränkt auf die Parade gerichtet. Daniels geübtes Auge registrierte so manche Geldkatze am Gürtel eines Schaulustigen, die er mit einer geschickten Bewegung unbemerkt hätte abschneiden können. Unwillkürlich begann es ihm in den Fingern zu jucken, doch er beherrschte sich. Unter Jonathan Wilds Augen einen Diebstahl zu begehen war gefährlicher Leichtsinn, der einen das Leben kosten konnte.
    Als der Leiterwagen unter dem Dreibein hielt, wurde eine Brieftaube freigelassen, die dem Kerkermeister des Newgate Nachricht bringen sollte, dass die Verurteilten sicher an ihrem Bestimmungsort angekommen waren.
    Nun trat der Zeremonienmeister von Tyburn vor: Richard Arnet, der Henker, gekleidet in seinen besten Rock und einen federbesetzten Hut. Sein Vorgänger William Marvell war zwei Jahre zuvor auf dem Weg zu einer Hinrichtung wegen nicht bezahlter Schulden verhaftet worden, was den Galgenvögeln das Leben rettete. Da sich auf die Schnelle kein Ersatz fand, brachte man sie ins Gefängnis zurück und deportierte sie schließlich in die amerikanischen Kolonien.
    Die Verurteilten trugen bereits die Schlinge um den Hals. Der Scharfrichter musste nur noch die Stricke lösen, die man ihnen vor dem Aufbruch vom Newgate um den Leib gewunden hatte, und deren Enden mit Hilfe einer Leiter an einem der Querbalken des Dreibeins befestigen. Die Menge wurde ruhiger, man stieß einander an, um den Nachbarn zum Schweigen zu bringen, denn es war den Todgeweihten traditionell gestattet, vor ihrer Hinrichtung eine Rede zu halten. Dabei spielte es keine Rolle, worüber sie sprachen. Sie konnten sich mit ihren Untaten brüsten oder ihre Unschuld beteuern, sie durften ihre Ankläger verfluchen oder die Obrigkeit beschimpfen.
    Der Erste der drei, ein Taschendieb, rechtfertigte sein kurzes Leben als Langfinger mit ständiger Geldnot und einer mangelnden Kraft, der Versuchung einer leichten Beute zu widerstehen. Seine Rede war jedoch kaum zu verstehen, da er völlig betrunken war. Die Prozession hatte unterwegs immer wieder an einer Schenke haltgemacht, wo man den Todgeweihten Gin oder Brandy ausgegeben hatte. Der Zweite, ein fünfzehnjähriger Knabe, der einer Bande bei mehreren Einbrüchen geholfen hatte, indem er durch ein kleines Fenster eingestiegen war und seinen Komplizen dann die Tür geöffnet hatte, brachte vor Angst kein Wort heraus. Der Dritte, ein junger Mann aus der Provinz, der in London sein Glück hatte machen wollen, erklärte mit schlichter Würde, dass er des Straßenraubs, dessen er angeklagt war, unschuldig sei. Man habe ihn fälschlicherweise beschuldigt, damit die wahren Täter unbehelligt blieben.
    Der Rest seiner Rede ging im Lärm der Menge unter, die lieber grausige Einzelheiten eines Verbrechens als Unschuldsbeteuerungen hören wollte. Viele der Schaulustigen waren seit dem Morgen auf den Beinen, um die Hinrichtung zu sehen. Müdigkeit und Hunger verwandelte die Menschen in blutgierige Bestien, die ungeduldig nach dem Schauspiel verlangten, das sie hergeführt hatte. Erneut ermunterte der Ordinarius die Verurteilten zum Psalmensingen, doch die Menge begann zu schreien und zu fluchen, so dass kein Wort zu verstehen war und Lorraine seine Bemühungen aufgab. Als der Kleriker von dem Leiterwagen hinabgestiegen war, trat der Henker zu den Verurteilten und zog ihnen mit einer brüsken Bewegung, die etwas

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