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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Mädchen ihres Alters recht hochgewachsen war, um mehr als Haupteslänge. Doch so gern sie seine Gesellschaft genossen hätte, wusste sie doch, dass es für eine anständige Frau undenkbar war, sich allein mit einem fremden Mann in der Öffentlichkeit zu zeigen. Mit tiefem Bedauern, das sich deutlich auf ihrem Gesicht spiegelte, schüttelte Kitty daher den Kopf.
    »Es tut mir sehr leid, Sir, aber das ist nicht möglich«, sagte sie. »Es wird Zeit, dass ich mich auf den Heimweg mache.«
    Daniel übertrieb seine Enttäuschung. »Wie schade«, murmelte er und sah sie mit einer Freundlichkeit an, dass sich ihr der Magen zusammenkrampfte. Aber er verstand ihre Bedenken und drängte sie nicht weiter.
    »Falls Ihr Rat oder Hilfe braucht, findet Ihr mich gewöhnlich in ›Tom Kings Kaffeehaus‹«, fügte er noch hinzu.
    »Vielleicht könnt Ihr mir noch mit einer Auskunft weiterhelfen, Sir«, sagte Kitty hastig, da sie keine Lust verspürte, sich von ihm zu verabschieden. »Kennt Ihr diesen Jonathan Wild, den Mr. King erwähnte?«
    Daniels Züge verloren schlagartig ihre Fröhlichkeit und wurden ernst. »Diesen Namen solltet Ihr lieber vergessen.«
    »Aber warum? Wer ist er, dass sich alle vor ihm fürchten?«
    »Wild ist der selbsternannte ›General-Diebesfänger‹, vor dem die Londoner Unterwelt zittert. Er hat schon unzählige Gauner an den Galgen gebracht.«
    Daniels gereizter Ton, in dem er dies sagte, erschreckte Kitty. Verständnislos starrte sie ihn an.
    »Aber was kann ein solcher Mann mit meinem Bruder zu tun haben?«, rief sie aus. »Thomas ist kein Verbrecher!«
    Einen Moment lang schien Daniel Gascoyne unschlüssig, was er sagen sollte. Kitty hatte das Gefühl, dass er mit sich rang. Dann wechselte er plötzlich das Thema.
    »Ihr solltet Euch nicht länger in dieser Nachbarschaft aufhalten. Der Abend rückt näher. Bald wimmelt es hier in Covent Garden von Vergnügungssüchtigen, Betrunkenen und Huren.«
    »Das sagt Ihr nur, um abzulenken«, empörte sich Kitty, die sein Ausweichmanöver durchschaute. »In ›Tom Kings Kaffeehaus‹ ging es doch ganz friedlich zu.«
    Der junge Mann verdrehte ironisch die Augen. »Das scheint nur so. Die Kundschaft anständiger Kaffeehäuser besteht aus Männern, die dort, unbelästigt von ihren Ehefrauen, die Zeitung lesen und Pfeife rauchen wollen. Dass man Euch im ›Tom Kings‹ nicht gleich die Tür gewiesen hat, hätte Euch eigentlich zu denken geben sollen. Dort verkehren in erster Linie Gauner und Huren, die auf Freier warten.«
    Kittys Gesicht lief rot an. Mistress Speering hatte sie vor einem Besuch in Covent Garden gewarnt. Nun wurde ihr klar, wie naiv sie gewesen war. Sie hätte nie herkommen dürfen!
    »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Euren Rat zu befolgen und mich auf den Weg zu meiner Unterkunft zu machen«, sagte sie spitz und wandte sich ab.
    Einen Moment zögerte der junge Mann, dann folgte er ihr mit großen Schritten und holte sie ohne Mühe ein.
    »Nehmt eine Sänfte oder eine Mietkutsche, Madam. Das ist sicherer«, beschwor er sie.
    Unschlüssig blieb Kitty stehen. Seine Sorge war echt, das las sie von seinem Gesicht ab.
    »Also gut, wenn Ihr meint«, gab sie nach.
    Daniel gestattete sich ein Lächeln. »Kommt mit, ich zeige Euch, wo Ihr eine Sänfte findet.«
    Während sie die Piazza überquerten, wurde sich die junge Frau seiner prüfenden Blicke bewusst. Die Schamesröte kehrte in ihre Wangen zurück. Zweifellos hielt er sie für ein dummes Landei, das sich in der großen Stadt nicht zurechtfand.
    Auf der Nordseite der Piazza reihten sich einige Sänften aneinander, deren Träger auf den Straßenpfosten lümmelten und miteinander schwatzten. Daniel sprach zwei von ihnen an, die er offensichtlich kannte, und wandte sich dann an Kitty.
    »Wo wohnt Ihr, Madam?«, fragte er.
    »Im Haus ›Zum Vogelkäfig‹ auf der Cock Lane«, erwiderte Kitty. »Das ist in der Nähe von Smithfield«, fügte sie erklärend hinzu, was den Sänftenträgern ein amüsiertes Lächeln entlockte.
    »Wissen wir, M’am«, riefen sie wie aus einem Munde. »Wir kennen hier jeden Pflasterstein«, ergänzte der Ältere der beiden. Ihr Akzent wies sie als Iren aus.
    Kitty errötete leicht. Sie war ein weiteres Mal an diesem Tag ins Fettnäpfchen getreten.
    Galant nahm Daniel Gascoyne ihre Hand und küsste sie mit einer Anmut, als sei er es gewohnt, bei Hof zu verkehren.
    »Ich bin untröstlich, dass Ihr mich schon so bald wieder verlasst, Madam«, sagte er. Dabei

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