Die Lady auf den Klippen
betrachtet hatte.
Nie würde er genau den Moment benennen können, an dem Blanche Harrington ihn als Mann gesehen hatte, aber es war passiert, und mit jedem Augenblick festigte sich diese Überzeugung.
Und nun gab es keinen Zweifel mehr. Er hatte sie geküsst, hatte vorgehabt, zurückhaltend zu sein, doch seine Leidenschaft hatte sich seiner Kontrolle entzogen, bis er voller Hunger und Verlangen war. Und sie hatte seinen Kuss erwidert, nicht ganz so wild, doch wild genug, und hatte in seinen Armen geweint.
Jetzt nickte sie und lächelte bei seinem Vorschlag, zwischen den Ruinen spazieren zu gehen. Er spürte einen Schmerz, in seinem Herzen und in seinem Körper. Verlangen war eine Sache, jede andere Sehnsucht eine andere und daher verboten. Er konnte sich vorstellen, sie in sein Bett zu holen, aber weiter durfte er nicht gehen. Vorsichtig hinkte er hinter ihr her, denn der Boden war uneben und voller Steine.
Doch innerlich lächelte er. Er hatte geahnt, dass sie eine leidenschaftliche Frau war, trotz ihrer Zurückhaltung, die sie stets zeigte.
Ihre Bemerkung hingegen fand er immer noch merkwürdig.
Ich habe nicht gewusst, dass ein Kuss so sein kann.
Was genau hatte sie damit gemeint? War es möglich, dass ihr sein Kuss so viel besser gefallen hatte als der eines anderen? Das war unwahrscheinlich – er hätte vermutlich mehr Glück, wenn er sein gesamtes Vermögen auf den Gaul mit den schlechtesten Quoten in Newmarket setzen würde, als darauf zu hoffen.
Blanche blieb stehen und blickte hinauf zum Turm. Sie lächelte ihn über die Schulter hinweg zögernd an. „Wenn es dort Gespenster gibt, so können es nicht unsere Vorfahren sein.“
Er bewunderte, wie elegant und anmutig sie war, selbst nach so einem Zwischenspiel. „Meine Vorfahren spuken weiter im Norden, falls sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, hierzubleiben.“
Sie bückte sich und pflückte eine kleine violette Blume, die sie dann an ihre zierliche Nase hielt.
„Wie ungewöhnlich für die Jahreszeit. Diese Blumen blühen nur selten vor dem Sommer“, erklärte er.
Sie sah ihn an und errötete.
Rex spürte, wie ihm selbst die Röte in die Wangen stieg, und ihm fiel nichts ein, was er sagen könnte. Er erinnerte sich daran, wie sie geschmeckt, sich angefühlt, wie sie in seinen Armen gezittert hatte. Es war nur ein einfacher Kuss gewesen, mahnte er sich im Stillen, auch wenn er ihm selbst nicht so bedeutungslos erschienen war. Das konnte unmöglich zu irgendetwas führen. Oder doch?
„Werden die Pferde nicht weglaufen?“, fragte sie leise.
Sein ganzer Körper war angespannt. Es war keine gute Idee, sie sich in seinem Bett vorzustellen. „Nein.“
„Glauben Sie, dass es hier spukt?“
„Ich glaube nicht an Gespenster.“
„Ich auch nicht.“ Sie ging zu der Turmmauer. Das verschaffte ihm die Gelegenheit, ihr Gesicht und ihre Figur zu bewundern. Doch als sie ihn ansah, senkte er den Blick. Ich muss mein Verlangen besser beherrschen, dachte er. Ein Kuss zwischen zwei Erwachsenen ihres Alters bedeutete gar nichts. Ganz gewiss nicht den Beginn einer Affäre.
Die Überlegung, sie zu küssen, war ihm gekommen, nachdem er von der Operation aufgewacht war. Ihre Sorge um sein Wohlergehen deutete an, dass sie für seine Avancen empfänglich sein würde, wenn er sie anständig vorbrachte. Er hatte niemals eine Affäre in Erwägung gezogen, und das sollte er auch jetzt nicht tun. Sie würde jemand anderen wählen, einen Mann mit heitererem Gemüt, der jünger war und unversehrt, nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste. Ihr Kuss deutete keineswegs die Bereitschaft an, sich auf mehr einlassen zu wollen.
Seine Anspannung war grenzenlos.
„Sie sind so tief in Gedanken“, bemerkte sie leise.
Er zuckte zusammen und spürte, wie er errötete. „Ich habe die Umgebung bewundert“, hörte er sich sagen.
Ihre Wangen erhitzten sich. „Ich bin schon ein wenig älter“, begann sie.
„Ich meinte es ernst.“ Er hinkte zu ihr hinüber, viel zu schnell, und stieß mit der Krücke gegen einen Stein. Er stolperte, fing sich aber wieder – und sie griff nach seinem Arm.
„Ich bin hundertmal gestürzt, bis ich gelernt habe, diese Krücke zu benutzen“, erklärte er.
„Das kann nicht sehr angenehm gewesen sein.“
„Gewiss nicht, aber es ist auch nicht angenehm, ein Bein zu verlieren.“
„Es muss sehr schwierig sein,
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