Die Lady auf den Klippen
meine Vorfahren gleich nach der Schlacht von Hastings diese Festung errichteten. Doch dann wurde Rolfe de Warenne nach Norden geschickt, und er kehrte nie zurück. Die Festung ging in die Hände eines Leutnants über, der Wilhelm dem Eroberer unterstellt war.“ Er lächelte sie an. „Schon in jenen Tagen blieben die de Warennes ihrer einzigen Liebe treu. Er verliebte sich in eine Sachsenprinzessin – die nicht seine Frau war.“
Blanche strahlte und fragte sich, ob die Geschichte wohl stimmte. „Und bekam er am Ende seine Liebe?“
„Gewiss, denn sie ist die Matriarchin unserer Familie. Ihr Name war Ceidre.“
„Ein ungewöhnlicher Name“, sagte Blanche und betrachtete Sir Rex prüfend. Mit jedem Tag, der verstrich, hellte sich seine Stimmung auf. Er lächelte häufiger, und sie sah bei ihm keine Spuren von Unmut oder Zorn mehr. In der Zeit, als er bettlägerig war, hatte sie jede Nacht nach ihm gesehen. Er war abends früh eingeschlafen. Und sie hatte ihn nie mehr trinken sehen als ein einziges Glas Wein zum Abendessen.
Noch immer fragte sie sich, wer ihm das Herz gebrochen hatte. Wenn die Familienlegende stimmte, würde er dieser Liebe ein Leben lang nachtrauern. Aber im Augenblick schien er überhaupt nicht zu trauern.
Mit der Krücke in der Hand ließ er sich vom Pferd gleiten. Falls ihm die Brust wehtat, so ließ er sich nichts anmerken. Er ließ die Zügel seines Pferdes zu Boden fallen, und das Tier blieb gehorsam stehen. Blanche sah überrascht, wie er zu ihr trat. Dann hob er seine linke Hand. „Kommen Sie.“
Sie zögerte, aber er lächelte, und ihr Herz schmolz dahin.
„Ich werde nicht umfallen, und ich werde mir nichts brechen“, murmelte er.
Die Luft flirrte plötzlich so vor Spannung, dass ihre Stute schnaubte. Sofort legte Sir Rex seine Hand auf ihren Hals und streichelte sie. Er flüsterte etwas, und die Stute senkte den Kopf. Beinahe glaubte Blanche zu hören, dass das Tier zufrieden seufzte.
Selbst mein Pferd mag seine Berührung, dachte sie und erschauerte.
Langsam sah Sir Rex auf. Seine Augen schimmerten sehr dunkel. In diesem Moment erinnerte er sie sehr an den Löwen aus ihrem Traum – er hatte etwas Raubtierhaftes an sich. „Kommen Sie herunter“, flüsterte er wieder in dem weichen und so vertrauten Tonfall.
Blanche nahm seine Hand, und als ihre Finger sich berührten, schlug ihr Herz wie wild. Sie glitt vom Pferd und landete in Sir Rex’ Armen.
Er lächelte sie an, als hätte er genau das beabsichtigt, und sie wusste, dass es der Fall war.
Ihre Röcke bedeckten sein gesundes Bein, und sie standen so nahe beieinander, dass sie sein Knie fühlte. Nur ein paar Zoll trennten seinen Oberkörper und ihre Brust. Obwohl er sie nur leicht hielt, fühlte sie viel zu deutlich seine linke Hand an ihrer Seite, die rechte auf ihrem Rücken.
„Haben Sie den Ritt genossen?“, fragte er und musterte sie eindringlich.
Sie versuchte zu schlucken. „Ja.“
„Darf ich Ihnen Isabella als Geschenk überlassen?“
Erstaunt sah sie ihn an. „Sie müssen so etwas nicht tun“, brachte sie heraus und konnte in seinen Armen kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Aber Sie verstehen sich so gut. Und Sie passen sehr gut zusammen. Sie ist ein wunderschönes Pferd – ein schönes Pferd für eine schöne Frau.“
Blanche fühlte sich ganz schwach. „Sir Rex – flirten Sie mit mir?“
„Oh ja, das tue ich.“
Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, und betrachtete schweigend seinen Mund. Dann schluckte sie mühsam. Hörte er, wie ihr Herz schlug? Denn in ihren Ohren übertönte es fast alles andere.
Seine Stimme wurde sanft. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie meine Avancen vielleicht nicht zurückweisen.“
Die Knie gaben unter ihr nach, und sie sank an seine Brust. Er hielt sie fester. „Habe ich recht?“, flüsterte er.
Sie brachte ein Nicken zustande. Sprechen konnte sie nicht. Verlangen erfüllte sie.
„Ich möchte Ihnen Avancen machen, Blanche“, sagte er mit belegter Stimme. Seine Hände berührten ihren Rücken und ihre Schulter, zogen sie fester an sich. „Ich möchte Sie küssen“, sagte er. „Darf ich?“
Blanche holte tief Luft und nickte, dann sah sie zu ihm hoch und fühlte, dass sie den Tränen nahe war.
„Nicht weinen“, flüsterte er. „Ich möchte nur einen Kuss.“
Sie sah, wie sich seine Lider senkten, sein Mund näher
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