Die Lady auf den Klippen
Bruder Tyrell sein.
Sie wandte sich ab, noch immer zitternd, und war offensichtlich fassungslos. Endlich holte er tief Luft. Natürlich hatte Tyrell sie geküsst. Sie waren ein paar Monate lang verlobt gewesen, vor langer Zeit – vor acht Jahren. Er hatte angenommen, dass Tyrell sie während dieser Zeit geküsst hatte, aber er hatte darüber nicht nachdenken wollen. Nun tat er es. „Ty war in Lizzie verliebt.“
„Ja.“ Missbilligend sah sie ihn an. „Wir haben beide unsere Pflicht erfüllt“, sagte sie. „Es gab keine Anziehung.“
Er sah sie noch immer an. Ty hatte sie nur zweimal geküsst. Keusch. Blanche Harrington hatte nie einen richtigen Kuss gekannt – bis eben.
Und sie hat nie erfahren, welch Vergnügen – und welche Lust – ein Mann ihr im Bett bereiten kann!
Sie hat noch nicht erfahren, welche Lust ich ihr im Bett bereiten könnte. Ich könnte der Erste sein!
Zitternd blickte er hinunter auf das Gras. Ein wildes Triumphgefühl stieg in ihm auf. Er hatte richtig vermutet. Blanche Harrington benahm sich gelegentlich so unsicher und unerfahren wie ein fünfzehnjähriges Mädchen. Jetzt kannte er den Grund dafür.
Und in der Stadt hatten sich zweihundertachtundzwanzig Männer aufgestellt, um sich auf sie zu stürzen. Ihm wurde übel bei dem Gedanken.
Er konnte nicht zulassen, dass auch nur ein Einziger sie missbrauchte. Aber wie konnte er sie beschützen? Sie war wie ein Schaf, das auf eine Wiese voller Wölfe geführt werden sollte.
„Warum sind Sie so nachdenklich?“
Langsam blickte er hoch, während er versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Später würde er sich über ihre Zukunft Gedanken machen, vielleicht mithilfe der Countess einen Weg finden, ihre Interessen zu wahren. Jetzt würde er sich auf die unglaubliche Enthüllung konzentrieren, die sie soeben gemacht hatte.
„Es tut mir leid“, sagte er leise. „Ich dachte, eine schöne Frau Ihres Alters hätte schon einige diskrete Begegnungen gehabt.“
„Ich entbrenne nicht so schnell in Leidenschaft.“
„Ich auch nicht.“
Ungläubig sah sie ihn an.
Sofort begriff er, dass sie ihm nie glauben würde. Aber sie verstand nicht den Unterschied zwischen Liebe und Leidenschaft. Er war auch nicht sicher, ob dies der richtige Zeitpunkt war, um diesen Unterschied zu erklären. Vor allem, weil er noch immer das Gefühl hatte, vom Blitz getroffen worden zu sein.
„Stört es Sie, dass Tyrell mich geküsst hat?“
Er versuchte ein Lächeln. „Als ich Sie das erste Mal bei Adare sah, hielt ich ihn für verrückt wegen seiner Gleichgültigkeit. Ich nahm an, Sie hätten viele Augenblicke miteinander geteilt. Aber ich habe nie wirklich darüber nachgedacht. Bis jetzt.“
Sie entspannte sich. „Er war so schrecklich verliebt in Lizzie.“
„Ich weiß.“ Sie betrachtete ihn genauer, sogar neugierig, und er erwiderte diesen Blick. „Die Wahrheit ist“, sagte er langsam, „ich fühle mich geehrt, dass Sie mir solche Freiheiten gestatten.“
Ihre Wangen röteten sich. Zögernd sagte sie: „Es war an der Zeit, dass mich endlich jemand küsst, meinen Sie nicht?“
Sein Herz schlug schneller. „Ja, das war es.“
„Außerdem fühlte es sich richtig an, dass Sie dieser Jemand waren“, fügte sie leise hinzu.
„Mylady? Brauchen Sie etwas?“, fragte Meg.
Blanche fuhr herum. Vor einer Stunde waren sie von ihrem Ausritt zurückgekommen, und seither ging sie in ihrem Zimmer auf und ab. Ihre Gedanken überschlugen sich, ihr Körper fühlte sich wie im Fieber. „Komm herein“, sagte Blanche angespannt. „Meg, ich brauche deinen Rat.“
Rasch trat die Zofe in das Schlafgemach und schloss die Tür. „Sie wollen meinen Rat?“ Sie war verwirrt.
„Ja, so ist es.“
„Geht es Ihnen gut?“, fragte Meg besorgt, als Blanche zitternd Luft holte. „Ich glaube nicht, dass ich auf Bess’ Antwort warten kann. Ich habe ihr einen Brief geschrieben und sie um Rat gebeten. Meg! Ich ziehe es in Erwägung, Sir Rex zu bitten, mich zu heiraten.“
Jetzt lächelte die Zofe. „Wirklich, Mylady?“
„Du bist nicht entsetzt?“, rief Blanche.
„Ich bin vielleicht ein wenig überrascht, aber Sie beide scheinen einander sehr zu mögen. Und er sieht gut aus und ist solide, wenn Sie verstehen, was ich meine. All diese Bewerber in der Stadt … keiner von ihnen ist so wie Sir Rex.“
Blanche schlang
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