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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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jedes Jahr zu Weihnachten besucht. Dann waren sie gemeinsam spazieren gegangen und hatten miteinander geredet. Zum Abschied hatten sie sich geliebt, doch kein Leben wollte in Estella heranwachsen. Zurückgelassen und allein hatte sie ihren Schmerz darüber in ihre Kissen geschluchzt. Aber sie hatte nicht aufgeben wollen. Irgendwann würde auch sie ein Kind haben.
    Als Marco sie nun ansah, errötete sie. Dann fiel ihr Blick auf sein Handgelenk.
    »Meine Kette, du trägst sie immer noch!«
    »Was dachtest du denn? Ich nehme sie nie ab, das weißt du doch.«
    »Ja«, flüsterte sie.
    Sie hatte ihn tatsächlich nicht mehr ohne die Kette gesehen. Darunter zog sich mittlerweile ein feiner, hellerer Streifen über seine Haut.
    Marco lächelte jetzt. »Ich habe nachgedacht, Estella. Auf dem Weg hierher hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Das Leben kann so schnell vorbei sein.«
    »Es tut mir leid, was mit deinen Eltern geschehen ist.«
    »Danke. Danke auch dafür, was du für Violetta getan hast.«
    Estella bemerkte, wie Marco einen Moment mit seinem Schmerz rang, dann gab er sich einen Ruck.
    »Estella …«
    Er fingerte etwas aus seiner Rocktasche hervor. Es war nur ein einfacher Ring, den er ihr im nächsten Augenblick auf seiner flachen Hand darbot, aber für sie war es das schönste Schmuckstück der Welt.
    »Willst du meine Frau werden, Estella Santos?«
    Estella schossen die Tränen in die Augen. Sie konnte nur nicken. Sie wusste, dass ihr die Stimme versagen würde.
    Anfang Februar des Jahres 1887 war die Choleraepidemie endlich vorüber. Sie hatte über sechstausend Menschen den Tod gebracht.

Zwölftes Kapitel
    Monica schloss die Augen, während Milo Klavier spielte. Von jeher unterhielt er sie, wenn sie darum bat. Manchmal tranken sie danach noch gemeinsam einen Mate-Tee. Sie wusste, dass es in Buenos Aires Hunderte Schwarzer gab, die vom Klavierspiel lebten.
    »Es gibt nicht mehr viele von uns«, sagte sie unvermittelt.
    Obwohl Monica eher hellhäutig war, hatte sie sich immer den schwarzen Einwohnern von Buenos Aires zugehörig gefühlt. Ihre Mutter war dunkelhäutig gewesen.
    Milo nickte. Die Zahl ihrer schwarzen Brüder und Schwestern hatte in den letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen, entweder infolge von äußeren und inneren Kriegen oder durch die Verbindung mit Weißen oder Indios. Menschen mit wirklich dunkler Hautfarbe waren jedenfalls immer seltener auf den Straßen von Buenos Aires zu sehen.
    »Ich würde heute gern ausgehen«, fuhr Monica nach kurzer Zeit fort. »Du begleitest mich.«
    »Sehr wohl.«
    Milo wusste zu jeder Gelegenheit, wie er sich zu benehmen hatte. An diesem Tag hatte Monica entschieden, hinaus in die arrabales zu gehen , in die berüchtigten Vorstädte, jene tristen Quartiere der Einwanderer aus Neapel, Marseille und Barcelona. Für viele, die dort gestrandet waren, hatten sich die Träume von einer goldenen Zukunft in der Neuen Welt sehr rasch zerschlagen. Monica hatte von einem neuen Tanz gehört, der dort mittlerweile immer populärer wurde.
    Bald saßen Milo und sie in einer schummrigen Spelunke an einem wackligen Holztisch. Auf der Tanzfläche umkreiste sich ein Paar. Traurigkeit und Verlangen lag in ihren Bewegungen.
    Mit einem Mal musste Monica an Eduard denken. Sie hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört. Sie vermisste ihn.

Dreizehntes Kapitel
    Es war Zufall, dass Lorenz an diesem Tag früher nach Hause kam. Er hatte mehrere gute Abschlüsse gemacht und plante, seine Freude darüber mit Maisie zu teilen. Als er entschlossenen Schrittes die Halle und den ersten Patio durchquerte, fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf. Dass die Dienerschaft nirgendwo zu sehen war, verwunderte ihn nicht. Vielleicht hatte seine Frau ihnen einen Auftrag gegeben. Maisie hatte stets zahlreiche Aufträge für ihre Bediensteten und nicht nur für diese. Auch Lorenz hatte es immer geliebt, sie zu erfüllen, zeigte sie doch auf diese Weise, dass sie ihn brauchte.
    Den Eindruck, dass etwas nicht stimmte, hatte er erst, als er den zweiten Patio betrat. Über einem der Korbsessel ausgebreitet, lag Maisies Hausmantel. Dann hörte er die Stimmen seines Sohnes und der Kinderfrau aus dem dritten Patio. Offenbar war Maisie nicht bei ihnen.
    Für einen Moment blieb Lorenz irritiert stehen – und da hörte er es: Stöhnen, zwei flüsternde Stimmen, das gurrende Lachen einer Frau.
    Maisies Lachen .
    »Maisie«, rief er.
    Aus ihrem Zimmer kamen nun andere, angstvolle Laute. Eine Frau jammerte. Eine

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