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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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sorgfältig ab, als ob sie sich in ihrem Gedächtnis einen Abdruck davon machen wollte. Dann bemerkte sie drei Wörter in Mias sorgfältiger Schrift, ganz unten auf der Seite: So bin ich.
    Sie schluckte. »So hat Mia sich gesehen.«
    Sie fuhr mit dem Daumen über die Seite, bis zur Mitte, bis zur rauen Kante. Die gegenüberliegende Seite war herausgerissen worden.
    Â»Warum fehlt da eine Seite?«, fragte Finn.
    Â»Keine Ahnung.« Katie hatte schon in London darüber nachgedacht und sich gefragt, ob dort eine andere Zeichnung gewesen war oder Mia einfach einen Fehler gemacht und die Seite deshalb weggeworfen hatte. In dunkleren Momenten dachte sie, dass dort vielleicht der Abschiedsbrief gestanden und Mia ihn herausgerissen hatte, er aber nie gefunden worden war.
    Es blieben Fragen, auf die es niemals eine Antwort geben würde.
    Â»Das war es also«, sagte er. »Das Tagebuch ist zu Ende.«
    Sie nickte.
    Â»Wie geht es dir damit?«
    Ihre Hände waren feucht, ihr Körper schmerzte vor Anspannung. Nun hatte sie alles gelesen, von der ersten bis zur letzten Seite, und fühlte sich innerlich immer noch leer. Ein leichter Windstoß wehte durch das Zimmer und hob die Seite an. Katie schaute wieder auf das düstere Psychogramm. »Ich war nicht für sie da. Nicht, als es darauf angekommen ist.«
    Ihre Finger wanderten zum Anfang des Tagebuchs und zogen das halbe Foto von Mia auf dem Seepferdchenkarussell hervor. Mia: acht Jahre alt, das Gesicht im Schein der Frühlingssonne, unbeschwert und doch sehnsüchtig. Ihre Seeschwester. »Ich war auch einmal auf diesem Foto.«
    Finn nahm das Bild und legte es flach auf seine Hand.
    Â»Ich weiß nicht, wann sie mich abgerissen hat. Nach unserem Streit? Oder schon Monate davor?«
    Â»Katie«, sagte er sanft, »sie hat gewusst, dass du sie liebst.«
    Aber hatte diese Liebe nicht immer auf Messers Schneide gestanden? War sie nicht immer kurz davor gewesen, in Hass umzuschlagen? »Ich war neidisch. Sie war so wagemutig und furchtlos und hat der Welt den Mittelfinger gezeigt. Sie hat sich nie darum geschert, was andere von ihr dachten. Ich hab mir stets gewünscht, ich wäre mehr wie sie.« Sie sah Finn unverwandt an. »Und auf eure Freundschaft war ich auch neidisch.«
    Seine Augen weiteten sich. »Wirklich?«
    Â»Als Kinder waren wir uns so nah. Du weißt das vermutlich nicht, aber ich hab Mia das Schwimmen beigebracht.«
    Â»Du?«
    Â»Bei schönem Wetter sind wir nach der Schule immer an den Strand geradelt. Mum hat gelesen, Mia und ich sind in der Bucht geschwommen. Sie hat nie gejammert, wenn es kalt war, und Furcht vor rauer See war ihr natürlich auch fremd. Sie war völlig angstfrei.«
    Â»Das glaub ich gern.«
    Â»Ich hab dir doch mal erzählt, dass ich in Porthcray beinah ertrunken wäre.«
    Â»Ja.«
    Â»Es war Mia, die mich gerettet hat.«
    Â»Erzählst du’s mir?«
    Â»Sie wollte zu einer Boje schwimmen, zu einem Hummer­käfig, etwa hundert Meter von der Küste weg. Mia war erst elf Jahre alt. Ich hab zu ihr gesagt, das wäre viel zu weit, doch sie ist trotzdem losgeschwommen. Für sie war es ein Kinderspiel. Und hinterher, da war sie längst zurück, wollte ich dann auch dorthin.«
    Â»Wieso?«
    Â»Wahrscheinlich musste ich mir beweisen, dass ich das auch kann. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man die Ältere ist, und plötzlich ist die kleine Schwester fast genauso groß und braucht auch keinen Vorsprung mehr, wenn man um die Wette läuft. Ich war noch nicht darauf gefasst, dass sie mich einholt.« Katie strich sich das Haar hinter die Ohren. »Also bin auch ich zu der Boje geschwommen. Der Hinweg war kein Problem, aber als ich zurückschwimmen wollte, hat die Ebbe eingesetzt. Du weißt ja, wie das in Porthcray ist. Wenn das Wasser zurückgeht, ist die Strömung unheimlich stark. Ich hab blöderweise versucht, dagegen anzuschwimmen. Aber das Meer hat mich immer weiter hinausgezogen.« Das Gefühl, wie die Strömung nach ihr griff, wie sich ihre Waden verkrampften, würde sie nie vergessen. Sie träumte noch heute davon und wachte in mancher Nacht schweißgebadet auf.
    Â»Mia hat bei den Felsen nach Krebsen gesucht und mich gesehen. Am Strand lag doch immer dieses alte Surfbrett, mit dem wir oft gespielt haben. Mia hat das schwere Ding ins Wasser gezogen und ist zu mir rausgepaddelt. Ich bin

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