Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
Vom Netzwerk:
Dieser müsste sieben Mal hüpfen, damit sie … dann acht … neun Mal …
    Irgendwann hatte das Handy ein letztes Mal geklingelt. Katie hatte mit gebrochener Stimme die Nachricht auf die Mailbox gesprochen, dass ihre Mutter tot sei.
    Mia hatte ihr Handy ins Meer geschleudert. Es hatte einen Satz gemacht und ging dann unter.
    In Mias Gedanken hinein sagte Katie: »Du bist erst Stunden nach ihrem Tod gekommen. Ich hab uns Gin Tonic gemacht, weißt du noch? Wir haben am Küchentisch gesessen, und du hast gefragt, wie es am Ende war. Friedlich, hab ich dir gesagt, und dass ich auf Mums Bett gesessen und ihre Hand gehalten hätte und sie einfach wegge­glitten sei, als wäre sie eingeschlafen.« Katie räusperte sich und kämpfte gegen die Tränen an. »Aber dass es so nicht war, weißt du ja wohl selbst.«
    Alle Wahrnehmungen wichen zurück: der Lärm aus dem Club, die Hitze der Nacht, das Gewicht des Hörers in ihrer Hand. Sie konzentrierte sich nur noch auf Katies Stimme.
    Â»Mum hatte keinen friedlichen Tod. Die Morphiumdosis war nicht stark genug. Die Schmerzen waren am Ende derart schlimm, dass sie sich die Lippen aufgebissen hat. Sie hatte eine grauenhafte Angst, sie hat Gott oder wen auch immer angefleht, sie, um Himmels willen, nicht sterben zu lassen. Und weißt du, was sie währenddessen unentwegt gefragt hat?«
    Bitte, tu mir das nicht an.
    Â»Ich habe wochenlang an ihrem Bett gesessen, und dann waren ihre letzten Worte zu mir gewesen: Wo ist Mia? «
    Der Hörer glitt Mia aus den Fingern, schlug gegen das metallische Gehäuse der Telefonzelle und baumelte an seiner dunklen Schnur.
    Mia schaltete das Licht in ihrem Zimmer an. Das Fenster stand weit offen, der dünne Vorhang blähte sich im Wind. Sie schlang die Arme um sich. Tränen verstopften ihr die Kehle. Sie schloss die Augen, und unter ihren Augenlidern warteten Finns Worte. Pass bloß auf, Mia, sonst stehst du am Ende ganz allein da und fragst dich, wo Freunde und Familie sind. Wie dein Vater.
    Am liebsten hätte sie die Hand bis in den Himmel gestreckt, Harley gepackt und ihn gefragt: Hat es sich so angefühlt?
    Sie wischte die Tränen ab, ging zu ihrem Rucksack, holte das Tagebuch heraus und schlug es auf. Ganz vorn lag ein Foto von ihr und Katie. Sie saßen auf dem Seepferdchenkarussell und hielten sich an den Händen. Mia erinnerte sich lebhaft, damals hatte das Leben noch süß und leicht geschmeckt.
    Ohne Zögern riss sie Katie von dem Foto ab.
    Dann legte sie das Tagebuch auf den Tisch und setzte sich. Ihre Hände zitterten. Sie schlug eine neue Doppelseite auf, strich das Papier glatt und setzte den Stift an. Die Tinte floss über die Seite wie ein dunkler Strom.

Kapitel 29
Katie
Bali, August
    Gemeinsam lasen sie die letzten Seiten. Katie hatte Finn darum gebeten – allein konnte sie das nicht. Sie saßen auf dem Hotelbett, mit zwei Zentimetern Abstand, die Füße auf den glänzenden Dielen, die Köpfe über das Tagebuch gebeugt.
    Die Lampe warf einen warmen, gelblichen Schein auf die Seiten, auf Mias präzise, gleichmäßige Handschrift. Finn und Katie versanken in diesen letzten Seiten. Finn erstarrte, als er Mias Reak­tion auf seine E-Mail las: Er hat recht  – mir war nur nie bewusst, dass Finn es auch gesehen hat. Sie erfuhren von Noahs wilden Albträumen und Mias Entscheidung, Katie anzurufen – doch zu diesem letzten Anruf stand kein Wort geschrieben.
    Katie nahm das dicke cremefarbene Papier zwischen Zeigefinger und Daumen und schlug die Seite um.
    Â»Das ist alles?«, fragte Finn.
    Â»Ja.« Der letzte Eintrag. Die linke Hälfte einer Doppelseite. Das hatte Katie in London schon gesehen. Es war der Umriss eines Frauenkopfs, im Innern ein Gewirr aus Zeichnungen. Katie hielt die Seite ins Licht, um die kleinteiligen Bilder besser erkennen zu können.
    Â»Ergibt das für dich irgendeinen Sinn?«
    Nein, damals nicht. Nicht, als sie die Bilder zum ersten Mal gesehen hatte. Jetzt aber verstand sie alles. Ein Arm mit einer Welle. Zwei Figuren, die sich in einem Korridor dicht aneinanderdrängen. Ein Galgenmann, darunter sechs Striche und der Buchstabe H. Sterne, die vom Himmel auf einen roten Felsen regnen. Eine Hand, die einen Ausweis hält. Ein verzerrtes Gesicht, die Lippen blutig. Ein Telefonhörer, der an seiner Schnur baumelt.
    Ihr Blick tastete jede einzelne dieser Zeichnungen

Weitere Kostenlose Bücher