Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
Vom Netzwerk:
erlebt – ungestüm, launisch, sprunghaft –, doch er kannte die wahre Mia nicht, die Mia, die wie ein Fisch im Meer schwamm, die ihre Schuhe zum Tanzen auszog, die Hagelkörner in den Händen aufgefangen hatte. »Es war kein Selbstmord«, sagte sie entschieden.
    Â»Na gut, vielleicht nicht.«
    Und da war es. Das Vielleicht .
    Sie stand auf, nahm Mias leeren Rucksack und packte sorgfältig alles, was sie herausgeholt hatte, wieder hinein. Dann ging sie zu ihrem Koffer, holte ihre Kleider, ihren Kulturbeutel und ihren Reisepass und quetschte alles in den Rucksack. Danach schnallte sie ihn zu und schob den Koffer in den Schrank. Seine Tür schloss sich mit einem befriedigenden Klicken: Was nutzte ihr dort, wo sie hinfuhr, ein Koffer?
    Ed war aufgesprungen. »Du machst das wirklich?«
    Â»Ja.«
    Sie sah ihm an, dass er verletzt war und noch etwas sagen wollte. Es gab Tausende von Gründen, warum sie nicht auf diese Reise gehen sollte: Sie war noch nie allein gereist, ihre Karriere würde darunter leiden, sie trauerte und bräuchte eigentlich Gesellschaft. Sie hatten über all diese Einwände gesprochen, und Ed hatte seinen vernünftigen Rat dazu gegeben, so wie sie es umgekehrt ebenfalls getan hätte. Doch ihr Gefühl sagte etwas anderes. Diesmal ging es nicht um Machbarkeit, Risiken und Entscheidungsfindung. Es ging um ihre Schwester.

Kapitel 4
Mia
Kalifornien, September, ein Jahr zuvor
    Mias Beine lagen auf dem Armaturenbrett eines schäbigen Chevys, den sie sich gemietet hatten. Sie presste die nackten Zehen kurz gegen die Windschutzscheibe und sah zu, wie sich der feuchte Abdruck auflöste. Finn trommelte mit dem Daumen gegen das Lenkrad, zu einem Bluessong aus dem Radio.
    Sie fuhren Richtung Süden, auf dem berühmten Highway One, seit dem frühen Morgen. Sie hatten nicht vorgehabt, so lange in San Francisco zu bleiben, doch sie hatten sich dem unorthodoxen Charme der Stadt nicht mehr entziehen können. An ihrem ersten Abend hatten sie sich ein Zimmer in einem billigen Motel genommen, die Rucksäcke abgelegt und in einem belebten Thai-Restaurant unglaublich süße Chili-Garnelen gegessen. Der Besitzer hatte ihnen den Weg zu einem Club gewiesen, der einige Straßen entfernt in einem Keller lag, und trotz ihres Jetlags hatten sie gefeiert und die Nacht durchgetanzt, bis die Füße schmerzten. Als sie Stunden später aus dem Club getaumelt waren, brach die Morgendämmerung herein. Sie waren in ein Café gestolpert, das schon geöffnet hatte, hatten sich dort Zimtbagel und frischen Kaffee besorgt, sich an die Bucht gesetzt und zugesehen, wie sich eine blassrosa Sonne über Alcatraz erhob.
    Tief hängender Nebel verfolgte sie die Küste entlang. Er lag wie ein nasses Tuch über der See. Mia kurbelte das Fenster hinunter, steckte den Kopf nach draußen und blinzelte in den Himmel. »Die Sonne kommt gleich raus.«
    Â»Ich halte an der nächsten Parkbucht an.«
    Einige Meilen später tauchte ein Aussichtspunkt auf, ein Schotterplatz oben auf den Klippen. Und tatsächlich brannte sich in dem Moment die Sonne durch den Nebel. Eine zerklüftete, grasbewachsene Küste erschien. Mit Wildblumen übersäte Klippen, die Mia gern im Frühling gesehen hätte, fielen stufenförmig ab zu einer wilden Bucht, in der das Wasser schäumte.
    Mia stieg barfuß aus dem Auto, verschränkte die Hände über dem Kopf und streckte sich. Salz prickelte in der frischen Luft. Sie atmete tief ein und schloss die Augen.
    Finn lehnte, die Arme verschränkt, am Auto. »Sieh dir das an.«
    Â»Willst du da runter?«
    Â»Klar.«
    An der Klippenfront entlang wand sich ein schmaler Pfad nach unten, an den steilsten Stellen in scharfen Serpentinen. Mia war als Erste am Ufer und tauchte die Zehen in das Meer. »Hallo, Pazifik!«, rief sie laut und sagte dann zu Finn: »Schwimmen?«
    Â»Hier? Sieht ziemlich rau aus.«
    Â»Dann pass auf meine Sachen auf«, erwiderte sie, zog ihr Oberteil aus und zwängte sich aus ihren Shorts, bis sie in zweierlei Unterwäsche dastand. Sie war schlank und muskulös, fand sich selbst aber zu kantig, um als schön zu gelten. Doch sie hatte sich mit ihren vorspringenden Hüftknochen und ihren kleinen Brüsten angefreundet, und vor Finn genierte sie sich ohnehin nicht. Sein Körper war ein vertrauter Anblick – sie hatte die breiten Schultern, den leicht

Weitere Kostenlose Bücher