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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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starke, verlässliche Mutter dahinsiechte. Wieder drückte der kleine harte Stein aus Schuld, der seither in ihrem Magen saß. Sie griff nach dem Flachmann und schloss die Lippen um die kühle Öffnung.
    Finn legte locker einen Arm um ihre Schultern. »Alles okay?«
    Sie nickte.
    Â»Hör zu, Mia.« Das klang bedeutungsschwer. Sie schaute auf. »Als deine Mutter krank war, waren wir beide ja nicht so viel zusammen – aber dir war doch klar, dass ich trotzdem immer für dich da war, oder?«
    Â»Sicher.« Seine Ernsthaftigkeit machte sie verlegen. Sie hatten noch nie über die vier Monate gesprochen, in denen sich eine unsichtbare Wand zwischen sie geschoben hatte, untermauert durch Verbitterung, zementiert durch Mias Schweigen. Sie war nicht sicher, ob sie jetzt dazu bereit war.
    Finn spürte das. Er zog seinen Arm zurück und sagte: »Dann erzähl mir mal von Mick. Wann hast du dich entschieden, ihn zu besuchen?«
    Â»Als ich damals Mums Kleiderschrank ausgeräumt hab, hab ich ein Foto von ihm gefunden.« Mick im Kreise seiner Band Black Ewe , auf einer Bühne, vor einem Banner mit ihrem Namen. Die Musiker hatten gerötete, verschwitzte Gesichter, als hätten sie gerade einen Auftritt hinter sich. In der Mitte stand ein Mann mit langem schwarzem, an den Schläfen feuchtem Haar. Er hielt seine Gitarre locker am Hals und sah mit intensivem Blick in die Kamera. Daneben wirkte Mick, in einem schmalen Anzug und braunen Schuhen, deren Spitzen keck nach oben wiesen, frech und ausgelassen. Er hielt als Einziger kein Instrument, sondern zielte mit beiden Händen wie mit Pistolen auf die Kamera und zwinkerte. So eine selbstbewusste Geste hätte Mia nie gemacht, denn bei ihr hätte sie aufgesetzt gewirkt. Trotzdem mochte sie das Bild, weil sie in der kräftigen Nase ihres Vaters und womöglich auch im Schwung der Lippen eine gewisse Ähnlichkeit entdeckte. »Ich glaub, das Foto hat meine Neugierde geweckt.«
    Â»Und vorher nie etwas?«
    Â»Nicht wirklich. Na ja, doch, schon«, gab sie zu. Sie musste an eine Bemerkung denken, die ihre Großmutter vor vielen Jahren geäußert hatte und die ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. Mia hatte, voller Schmutz und Schlamm, in der Badewanne gesessen, bis das Wasser dreckig war. Als ihre Großmutter ihr dann auch noch die Haare waschen wollte, hatte sie sich mit Händen und Füßen gesträubt. Schließlich war ihrer Großmutter die Bemerkung herausgerutscht: »Was bist du nur für ein komisches, eigensinniges Ding!«, und dann, leise: »Wie dein Vater.« Die ungeheuer­liche Erwähnung dieses Wortes hatte lange in dem nebligen Badezimmer nachgehallt. So lange, bis sich der Vergleich in Mias Gedanken fest verankert hatte.
    Finn setzte seinen Becher an die Lippen und trank. »Und warum hast du Katie nichts davon erzählt?«
    Mia dachte eine Weile nach. »Manchmal hört man eine andere Meinung, und zu guter Letzt wird es die eigene. Das Risiko wollte ich nicht eingehen.«
    Ein Auto fuhr auf den Campingplatz, die Scheinwerfer strahlten kurz auf Finn und Mia, dann erstarb der Motor. Ein Paar stieg aus. Es begann, sein Zelt im Schein von Taschenlampen aufzubauen.
    Auch wenn es nur wenige Sätze waren – so viel hatte Mia noch niemandem eingestanden, nicht einmal sich selbst. Für den Moment war das genug. Sie nahm Finns Becher. »Ich geh spülen.« Sie hüpfte von der Bank und verschwand in Richtung Wasserhahn.
    Später, nachdem sie sich die Zähne geputzt und die Zahnpasta in einen Strauch gespuckt hatte, kletterte sie zu Finn ins Zelt. Sie hatten es so ausgerichtet, dass es hinten im Schatten eines mit Büschen bewachsenen Hügels und vorn in der salzigen Seeluft stand. Sie legten sich, die Köpfe vor dem Zelt, auf ein gefaltetes Strandtuch, damit sie in die Sterne schauen konnten. Sie hatten unzählige Nächte gemeinsam in einem Zelt oder wie die Sardinen in einem schmalen Bett verbracht. Ihre Freundschaft war auch jetzt noch eng und unbeschwert, ein Geschenk, für das Mia dem Schicksal nicht genügend danken konnte.
    Â»Eine Sternschnuppe!« Sie wies nach oben.
    Â»Hab ich nicht gesehen.«
    Â»Ist auch schwer, mit geschlossenen Augen. Du solltest schlafen.«
    Sie zogen die Köpfe ins Zelt, machten den Reißverschluss zu und legten sich nebeneinander, wie schon unzählige Nächte zuvor.
    Der harte Untergrund war

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