Die Landkarte der Liebe
sagte Finn und stand auf.
»Was hast du vor?«
»Der Kerl ist ein Arschloch, Mia. Und dafür diese weite Reise?«
»Finn, nicht«, sagte sie und legte die Hand auf seinen Arm.
Er sah sie eine Weile an. Dann entspannte sich seine Mimik. »Tut mir leid. Das geht mich echt nichts an. Ich kann es nur nicht leiden, wenn du so bestürzt bist.«
Ihr Besuch bei Mick lag nun vier Tage zurück. Mia hatte sich seither ständig in Gedanken mit ihm unterhalten und dabei all die Dinge ausgesprochen, die ungesagt geblieben waren. Sie war es sich selbst schuldig, aus dem Wunschdenken Wirklichkeit werden zu lassen. »Du hast recht. Ich muss mit ihm reden.«
Sie lieà ihr Frühstück stehen und sagte: »Wir sehen uns nachher im Hostel.«
Sie lief los. Die Sonne kribbelte ihr im Nacken. Diesmal klingelte sie nicht, sondern schlug drei Mal an die Haustür. Einen Augenblick später stand Mick vor ihr, mit einem Schälchen Tomaten in der Hand.
»Mia.« Er wirkte nicht sehr überrascht, eher resigniert, als stünde er nun vor einer Pflicht, die er lieber nicht erfüllen würde. »Ich fürchte, wir müssen reden.«
Sie gingen in die Küche. Auf der Arbeitsplatte wartete der Karton mit dem Gemüse neben einer Schachtel Zahnpasta und zwei Zucchini. Mick stellte das Schälchen Tomaten ab und schaute Mia an.
Dieses Mal verlor Mia nicht die Stimme. Fest und ruhig sagte sie: »Ich bin nicht nach Maui gekommen, weil ich einen Vater suche â sondern weil ich verstehen wollte, warum du damals weggegangen bist. Das zumindest steht mir zu.«
»Das stimmt.« Er sah sie forschend an. »Ich hab aber Angst, dass dir die Antwort nicht gefallen wird.«
Sie wartete.
»Vielleicht setzen wir uns lieber.«
»Worum geht es?«, fragte Mia und rührte sich nicht vom Fleck.
Mick fasste sich an die Nase. »Es tut mir leid, Mia, du bist nicht meine Tochter.«
So war es herausgekommen.
»Ich helfe dir.« Mick fasste sie am Ellbogen. »Du brauchst frische Luft.« Er führte sie hinaus auf die Terrasse und setzte sie behutsam in einen Stuhl. Sie beugte sich nach vorn, den Kopf zwischen den Knien. Mick öffnete den Sonnenschirm und verschaffte ihr Schatten.
Dann holte er ein Glas Wasser und stellte es ihr hin. Sie richtete sich langsam auf und führte es an die Lippen.
Mick setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
»Katie?« Ihre Stimme klang kläglich. Sie hatte all ihren Furor und ihre Sicherheit verloren.
Er nickte. »Sie ist von mir.«
Katie war von ihm. Sie nicht. Mick trennte sie wie ein unüberwindbarer Graben.
»Ich hatte immer angenommen, eure Mutter hätte dir das längst gesagt.«
Wie hatte ihre Mutter so etwas vor ihr verheimlichen können?
Nun verstand Mia auch sein Entsetzen, als sie verkündet hatte: »Ich bin Mia, deine Tochter.« Sie hatte es ihrem unerwarteten Auftauchen zugeschrieben.
»Es war furchtbar für mich, dich so hinauszukomplimentieren. Aber nachdem dir Grace offenkundig nicht die Wahrheit gesagt hatte, fand ich, musste ich es auch nicht tun. Nicht gerade eine Heldentat, das ist mir klar.«
Wäre sie doch niemals hergekommen, in dieses Haus, nach Maui! Doch was geschehen war, war geschehen. Die Uhr lieà sich nicht zurückdrehen. Nun ging es nur nach vorn weiter. »Wer ist es?«
Mick schlug die Beine übereinander und legte die Hände in den SchoÃ. »Sein Name war Harley.«
»Aber du und Mum, ihr wart da doch verheiratet â¦Â«
»Ja.«
»Sie hatte eine Affäre?«
»Ja.«
Das hätte sie nie erwartet. »Hast du davon gewusst?«
»Nicht von Anfang an.« Dann ergänzte er: »Obwohl ich es wohl immer vermutet hatte.«
Sie sah an Mick vorbei, hinaus auf die See. Eine schwache Brise kräuselte das Wasser. Es glitzerte im Sonnenlicht.
»Dein Vater war Musiker«, erzählte er. »Der Frontmann der Band, die ich damals gemanagt habe, The Black Ewe .«
Mia richtete sich auf. Sie sah das Foto vor sich, das sie im Schrank ihrer Mutter gefunden hatte â Mick im Kreise seiner Band. Ihre Mutter hatte sämtliche Namen auf die Rückseite geschrieben: »Harley« hatte in der Mitte gestanden, gleich neben »Mick«. Es war der Mann, der so intensiv in die Kamera geschaut hatte, oder vielmehr, wie Mia nun verstand, auf die Fotografin.
»Dann habt ihr euch gekannt. Wart ihr â¦
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